Full text: Für die oberen Stufen mehrklassiger Schulen (Teil 2, [Schülerbd.])

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Nicht daß er seine Geldbörse schüttelte, wenn er den Kuckuck im Früh⸗ 
jahr zum erstenmal rufen hörte, oder daß er es für ein schlimmes 
Zeichen hielt, wenn ihm eine schreiende Elster über den Weg flog, oder 
daß er an sein letztes Stündlein dachte, wenn sich der Totenvogel in der 
Nachbarschaft hören ließ, oder daß er sich den Tag über besonders in acht 
nahm, wenn am Morgen vor seinem Hause eine Henne gekräht hatte. Den 
Kuckuck, die Elster und das Käuzlein ließ er schreien, so lange sie wollten. 
Er achtete nicht mehr darauf als auf eine summende Fliege an seinem Fenster. 
Aber wenn im Spätherbste die ersten Schneegänse hoch über das 
Mainthal hinflogen und den Winter ansagten, achtete der reiche Kaufmann 
auf ihr Geschrei wie der Kriegsknecht im Feldlager auf den Ruf des 
Drommeters, und machte sich auf, allerhand zu thun, daran er im Frühling 
nicht dachte. 
Er hatte nämlich verschiedene Warenlager, eins immer größer denn 
das andere. In dem einen Speicher lagerten Sandelholz und Indigo und 
Purpur so viel, daß man damit den ganzen Strom hätte blau und rot 
färben können. Der andere Speicher lag voll Zuckerhüte und Kisten von 
unten bis oben an, und der Kaufherr wäre nicht in Verlegenheit geraten, 
wenn sich alle Frankfurter, vom Bürgermeister bis zum Schuhflicker herab, 
auf eine Schale Kaffee angesagt hätten. Und in dem dritten unter der 
Erde lagen viele Stückfässer uralten Weines hintereinander. Über dem 
Keller stand ein Kornhaus, darinnen große Haufen von Roggen, Gerste 
und Weizen aufgeschüttet waren, aber nicht zum Verkauf wie die Spezereien 
in den andern Häusern. 
Sondern wenn der Kaufherr die ersten Schneegünse hörte, oder sein 
Schaffner ihm sagte: „Sie sind da,“ hub er an, zweimal in der Woche in 
sein Kornhaus zu gehen und wenig oder viel Scheffel dem Bäckermeister 
neben der Domkirche abzumessen. Der buk Brot daraus, den Laib zu drei 
oder sechs Pfunden, so weit es reichte. Den andern Tag, wenn es kalt 
geworden war, kamen arme Leute und holten es, gaben aber kein Geld 
dafür, sondern zeigten nur die Handschrift des Kaufherrn und empfingen 
dagegen, was auf dem Blättlein stand. 
Und in Sachsenhausen (das ist der am linken Mainufer gelegene Teil 
der Stadt Frankfurt) waren zwei Schulen, und darin viele Kinder reicher 
und armer Leute durcheinander. Die der reichen ließ der Lehrer vormittags 
um die elfte und nachmittags um die dritte Stunde heim und hielt sie 
nicht auf; die der armen aber blieben auf ihren Bänken sitzen und 
warteten, bis der Knecht des Bäckers kam, einen großen Korb Brot auf 
dem Kopfe, und einem jeglichen gab zwei oder drei Wecken, außen so
	        
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