Full text: [Teil 2, [Schülerbd.]] (Teil 2, [Schülerband])

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Da saß sie nun mit ihren fünf Kindern und hatte nichts zu 
brechen und zu beißen. Darüber wurde sie mißmutig und sprach 
in der Ungeduld ihres Herzens: „Betteln mag ich nicht, Arbeit 
und Fleiß nützen mir nichts; es wäre mir besser, ich stürbe." Als 
sie nun so in ihrem Kummer dasaß, hörte sie von ferne das Geläut 
im Dorfe, und das Getön war ihr ganz erquicklich; denn so, 
dachte sie, wird man mir bald zu Grabe läuten. Darauf trat ihr 
Töchterlein in die Kammer und sagte: „Mutter, sie läuten im 
Dorfe, willst du nicht in die Kirche gehen? Ich will das Haus 
wohl hüten!" Dies sagte das gutartige Kind, weil die Mutter alle 
Sonntage in die Kirche ging und fröhlicher heimzukehren Pflegte, 
als sie weggegangen war. Die Mutter dachte bei den Worten des 
Kindes: Warum sollt' ich nicht auch heute in die Kirche gehen 
in den bösen Tagen, bin ich ja doch in den guten hingegangen? 
Sie machte sich auf den Weg, obgleich mit schwerem Herzen, und 
setzte sich hinter einen Pfeiler; denn sie schämte sich ihres Unmuts. 
Als das Lied anfing, konnte sie kaum mitsingen vor heimlichem 
Weinen und ihre Thränen kaum verbergen. Der Pfarrer redete 
von der Liebe und Güte Gottes, und jedes Wort war ihr erquicklich 
und rührend; denn ihr Herz war erweicht vom Unglücke und ein 
^ wohlbereitetes Feld, welches der Pflug zerreißt, ehe es den Samen 
in sich aufnimmt. Als die Kirche aus war, ging sie demütigen 
Herzens und getröstet nach Hause und sagte: „Habe ich das Mei- 
nige gethan, so wird ja auch der Vater der Witwen und Waisen 
wohl das Seinige thun." Und vor allein war ihr ein Sprüchlein 
aus der Predigt wohl zu Herzen gegangen: „Durch Stillesein und 
Hoffen werdet ihr stark sein!" — „Der Herr," sagte sie, „hat 
meine Thränen gesehen; er wird sie wohl stillen, wenn es gut ist." 
Aber es hatte auch ein wohlhabender Mann aus der Gemeinde in 
der Kirche die Witwe mit ihrem Kummer bemerkt. Er hatte ge¬ 
dacht: Sie hat ein heimliches Leiden; darum kann sie nur mit- 
Thränen der Liebe Gottes gedenken und nicht so fröhlich nach der 
Kirche gehen wie du. Gleich erkundigte er sich nach ihr und ihren 
Umständen. 
Als nun am Abend die Witwe mit ihren Kindern beim düstern 
Lampenscheine saß und sie sich unter einander trösteten und sich 
vornahmen, fleißig zu arbeiten, sagte die Mutter: „So wollen wir
	        
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