Full text: Mit einer Einleitung, Übersicht der Satz- und Interpunktionslehre und Tabelle der Präpositionen (Teil 4 = 6. Schulj. (Quarta), [Schülerbd.])

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Stammes beriet und entschied, so sammelten sich die freien Männer in den 
Untergauen, den Hundertschaften, zu gewissen Zeiten an ihren Malstätten, 
um ihre engeren Verhältnisse zu ordnen. In diesen kleineren, öfters wieder— 
kehrenden Versammlungen bewegte sich mit nicht minderer Regsamkeit das 
Leben des Volks. Auch hier erschienen die freien Männer regelmäßig und 
nahmen an allem ununterbrochenen Anteil. Es handelte sich ja um ihre 
eigensten und nächsten Angelegenheiten; es galt für einen jeden, sein Recht, 
seine Freiheit und Ehre zu schützen, denn hier wurde Urteil und Recht 
über alle gesprochen, die den Frieden gebrochen, oder sonst sich gegen freie 
Männer oder ihr Eigentum vergangen hatten. Die Strafen, auf welche 
die Gemeinde selbst unter dem Vorsitz des Fürsten erkannte, waren Bußen, 
welche zu Anfang in Rindern und Pferden, dann auch in Geld teils dem 
Beschädigten selbst oder dessen Blutsfreunden, teils der Gemeinde gezahlt 
wurden. Die Buße für den Totschlag, das Wehrgeld genannt, richtete 
sich nach dem Stande des Erschlagenen. Durch die Erlegung desselben 
wurde der Frevel gesühnt, und der Thäter erkaufte sich damit aufs neue 
den Schutz und den Frieden der Gemeinde; nur wer beharrlich denselben 
brach, wurde für friedlos und damit für rechtlos erklärt, alles Schutzes 
und Beistandes entblößt und sich selbst überlassen. 
In ähnlicher Weise standen endlich auch die, welche auf einem engeren 
Gebiete, sei es in einer Dorfschaft oder in Einzelnhöfen, neben einander 
wohnten, in dem Verbande der Markgenossenschaft. Die Versammlungen 
derselben beschäftigten sich aber nur mit untergeordneten Angelegenheiten, 
ohne Bedeutung für das Gesamtleben des Volkes. 
4. Familie und Haus. 
Das Band der Familie, welches die Blutsverwandten einst unauf⸗ 
löslich an einander gekettet hatte, war durch die staatliche Vereinigung 
zwar bereits gelockert, aber noch immer stark und fest genug. Noch stand 
es der Familie zu, wenn einer der Ihren getötet war, zur Selbsthilfe zu 
schreiten und Blutrache an dem Mörder zu üben, und häufig wurde der 
richterliche Spruch der Gemeinde wie das Wehrgeld verschmäht und der 
Frevel blutig gerächt; oft genug trieb dann die Rache zu neuer Rache 
Und neuen Freveln, und in endloser Fehde führte ein Geschlecht gegen 
das andere die Waffen bis zu seiner gänzlichen Vertilgung. Wenn sich 
auch das Recht der Familie der höheren Ordnung des Staats bereits 
unterorduen muß, übt es doch noch einen durchgreifenden Einfluß in allen 
Lebensverhältnissen. In der Gemeinde vertritt die Familie ihre Glieder, 
verteidigt sie und haftet für sie; sie empfüngt das Wehrgeld für den, 
der aus ihrer Mitte erschlagen ist; im Kriege stehen die Familiengenossen 
bei einander im Heere, wie sie im Frieden nachbarlich wohnen.
	        
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