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In noch minderem Grade berührte der Gemeindeverband das Recht
des Hauses. Auf seinem eigenen Grund und Boden, in seinem Hause und
auf seinem Hofe schaltete der deutsche Mann mit voller Unabhängigkeit,
die er eifersuͤchtig bewachte. Hier herrschte er, ein König im kleinen, über
Weib und Kind, wie über das Gesinde, mit dem ungebrochenen Ansehen
höchster Gewalt; es gab hier keinen Willen als den seinen, dem nur Glaube
uͤnd Sitte Schranken setzten. Aber nirgends zeigte sich mehr als hier, daß
gute Sitte mehr Gewalt übt als gute Gesetze.
Sobald das Weib die geweihte Schwelle des Hauses übertrat, in dem
ihres Gatten Wille gebot, wurde sie darauf hingewiesen, daß sie fortan alles
mit ihm zu teilen habe, Leid und Freud', Arbeit und Gefahr, Not und Tod;
selbst des Krieges Ruhm und Ehre, — die höchsten Güter, die der Deutsche
kannte, — entzog er dem Weibe nicht. Beim Schließen des Ehebundes bot
der Mann dem Weibe Stiere, ein gezäumtes Pferd, Schild und Speer zum
Geschenke, wie sie gleichfalls dem Manne Waffen darbrachte; diese Gaben
galten für Heiligtümer, und heilig wie sie war die Ehe selbst und geheiligt
durch sie das ganze Haus. Etwas Göttliches und Prophetisches verehrte
der Deutsche im Weibe: im Frauenworte leuchtete ihm eine Ahnung der
Zukunft auf; nichts achtete er höher als Frauenlob; Zuruf von Frauen⸗
mund war ihm der heißeste Sporn zur Schlacht. Was Wunder daher,
wenn die Frau mehr im Hause mitherrschte als diente, die Herrin neben
dem Herrn war. Ein enges, geweihtes Band umschlang nicht minder Eltern
und Kinder; des Vaters Gebot und der Mutter Bitte war den Kindern
heiliges Gesetz. Je mehr der Kiuder, desto größer der Segen des Hauses,
desto freudenreicher die späten Jahre der Eltern.
Milde und menschlich war die Behandlung der Knechte, die entweder im
Hause selbst dienten oder noch häufiger gegen Hofdienst und Zins ihnen über—
lassene Felder bebauten und inmitten derselben ihre eigene Wohnung hatten.
Das Herkommen regelte das Verhältnis des Unfreien zu seinem Herrn und
sicherte ihn kaum minder, als es das Gesetz vermocht hätte. Körperliche Züch⸗
tigung der Knechte kam nur selten vor; im ganzen war ihre Lage kaum
wesentlich verschieden von dem Lose der Freigelassenen und derjenigen Freien,
die, ohne eigenen Grund und Boden, gegen Zins das Feld eines Hof⸗
herrn bauten. Waren diese auch gegen Beschädigungen an ihrem Leibe
oder ihrer Freiheit durch die Gemeinde gewahrt, so war doch ihr Ver⸗
treter in derselben lediglich ihr Hofherr, an dessen Willen sie sich deshalb
überall gebunden sahen.
5. Verfassung.
Eine gemeinsame Obrigkeit gab es bei der Mehrzahl der deutschen
Stämme in Friedenszeiten nicht; nur für den Krieg wählte sich das
Volk einen gemeinsamen Oberfeldherrn, den Herzog. Nicht Stand oder
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