Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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Froh stand er da, der tapfre Streiter, 
Als er vernahm des Feldherrn Wort; 
Er bückte sich in einem fort. 
Da sprach der General jetzt weiter: 
„Freund, der so beispiellos gestritten, 
Magst eine Gnade dir erbitten!" 
„Wie? Darf ich?" „Ja, nach deiner 
Wahl!" 
„Heim möcht'ich geh'n, Herr General!" 
Castelli. 
51. Ein deutscher Postillon. 
Es fuhr der Herr von Zavelstein 
Gar lustig in die Welt hinein; 
Und vor ihm auf dem Kutscherthron 
Saß Michel hoch als Postillon, 
Ein Kerl als wie ein Riese. 
Und fort ging's durch den Böhmer¬ 
wald, 
Da plötzlich tönt ein donnernd „Halt!" 
Zwei Räuber nah'n; doch kämpft 
voll Mut 
Der edle Herr; schon fließt sein Blut 
Aus mancher tiefen Wunde. 
Der Postillon schaut ruhig drein, 
Da ruft der Herr von Zavelstein: 
„Nehmt alles, nur gerbt mir dem 
Hund 
Dort aus dem Bock das Fell erst 
wund, 
Der mich so feig verlassen!" 
Ein Ruck — und Michel stürzt vom 
Bock, 
Auf seinem Rücken tanzt der Stock; 
Es trifft ihn mächtig Streich auf 
Streich, 
Doch stets bleibt seine Ruh' sich gleich, 
Als müßt' er's eben leiden. 
Auf einmal aber reckt er sich, 
Und immer höher streckt er sich, 
Und jetzt — eilt Schlag und noch 
ein Schlag — 
Und blutend auf dem Boden lag 
Bor ihm das Raubgesindel. 
„Was," rief der Herr von Zavel¬ 
stein, 
„Du toller Narr, was fiel dir ein? 
Erst läßt du mich in Not, du Wicht, 
Daun hältst du still und wehrst 
dich nicht, 
Und dann erschlägst du beide!" 
„Herr," sprach der Michel voller 
' Ruh', 
„Erst schaut' ich dem Spektakel zu; 
Doch als mir's selbst ans Leder ging 
Und das mich an zu jucken fing, 
Da bin ich warm geworden. 
Und seht, bin ich erst einmal warm, 
Dann juckt's gewaltig mir im Arm, 
Dann werd' ich voller Gall' und Gift, 
Und wohin meine Faust dann trifft, 
Da wächst kein Grashalm wieder!" 
I. Sturm. 
52. Johann der Seifensieder. 
Johann, der muntre Seifensieder, 
Erlernte viele schöne Lieder 
Und fang mit unbesorgtem Sinn 
Vom Morgen bis zum Abend hin. 
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung 
bringen, 
Und wann er aß, so mußt' er singen, 
Und wann er sang, so war's mit Lust, 
Aus vollem Hals und freier Brust. 
Beim Morgenbrot, beim Abendessen 
Blieb Ton und Triller unvergessen; 
Der schallte recht, und seine Kraft 
Durchdrang die halbe Nachbarschaft. 
Man horcht, man fragt: „Wer singt 
schon wieder? 
Wer ist's?" — Der muntre Seifen¬ 
sieder. 
Nun wohnte diesem in der Nähe 
Der Sprößling einer reichen Ehe, 
Der, stolz und steif und bürgerlich, 
Im Schmausen keinem Fürsten wich; 
Der stets zu halben Nächten saß 
Und ausgesuchte Speisen aß.
	        
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