Full text: [Teil 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Teil 5 = Obertertia, [Schülerband])

220 43. Die fremden Wörter in der Muttersprache. 
Merkmal ihrer Zulässigkeit und Einbürgerung; so z.B. mußten 
Appetit und das sehr gut gebildete appetitlich (franz. appe- 
tisant) stehen bleiben, dem nichts anderes genau entspräche; 
denn das ahd. lustliü ist veraltet, f 
5 Dagegen enthält das deutsche Wörterbuch sich einer Menge 
anderer aus der griechischen, lateinischen, französischen Sprache 
oder sonsther entlehnten Ausdrücke, deren Gebrauch imter uns 
überhand genommen hat oder gestattet wurde, ohne daß sic 
für eingetretene in unserer Sprache gelten können. Sie haben 
10 wohl versucht, sich einzunisten und eine Stelle zu besetzen, 
die noch offen stand, oder aus der sie schon ein heimisches 
Wort verjagten; doch ist ihnen ungelungen, eigentlich sich an¬ 
zubauen. Ihr Aufenthalt scheint in vielen Fällen gleichsam 
ein vorübergehender, und man wird, sobald einmal das na- 
15 türliche Wort den gebührenden Raum gewonnen hat, sie gar 
nicht vermissen. Solche fremde Ausdrücke kommen uns zwar 
täglich in den Mund, gehen aber die deutsche Rede nichts 
weiter an, insofern sie andere, gleichgute bereits besitzt oder 
die in ihnen enthaltenen Vorstellungen nicht zu bezeichnen 
20 anstrebt; für welchen Zweck sollte sie z. B. die große Anzahl 
ausländischer, in Gärten oder Treibhäuser aufgenommener 
Blumennamen wiedergeben? Man beläßt es beim lateinischen 
Kunstwort. Andere rücken uns freilich näher, das Leben 
verwendet fremde Wörter in Wissenschaft und Schule, im 
25 Krieg und Frieden, im gemeinen Umgang so viele, daß man 
sich oft nur mit ihnen leicht verständlich macht und ohne 
sie befahren muß, mißverstanden zu werden. Wie der Stolz 
auf unsere eigene Sprache, der oft noch schlummert, einmal 
Heller wacht und die Bekanntschaft mit allen Mitteln wächst, 
30 welche sie selbst uns darreicht, um noch bezeichnendere und 
uns angemessenere Ausdrücke zu gewinnen, wird auch die 
Anwendung der fremden weichen und beschränkt werden. So 
hat die Anzahl der Verba ans ieren, mit denen alsobald jeder 
französische Infinitiv deutsch werden kann und die im 18. 
35 Jahrhundert allenthalben unsere Rede verunzierten, sich aus 
viel welligere zurückgeführt, und daß alle schwänden, wäre 
auch nicht zu wünschen. Man darf überhaupt nicht ver¬ 
gessen, daß es keineswegs die Mitte des Volkes ist, die das
	        
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