Full text: Deutsches Lesebuch für das mittlere Kindesalter beider Konfessionen

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18. Das Gewitter. 
herauf, erheben sich immer mehr, gleichen übereinander gelagerten Get 
birgsmassen, mannigfaltig gestaltet, grau, düster, hell gefärbt. Durch 
sie, wie durch einen Schirm, werden die Strahlen der Sonne gehemut 
das Tageslicht verliert seine Helle; es wird trübe und dunkler. 
In der dunklen Wolke blitzt es. Ein schwaches Donnern wird 
gehört, das lauter schallt, je näher das Gewitter kommt. Schwül it 
die Luft. Regenwolken senken sich in der Ferne nieder. Plbblit 
bricht ein Sturm los; er braust und saust, er führt Staubwollen in 
die Luft empor; Seeen und Ströme schlagen Wellen; das Wasser schüumt 
die Wipfel der Bäume schwanken hin und her. Die Tiere des Landes⸗ 
die Vögel verbergen sich und suchen Schutzörter gegen das nahe Un⸗ 
gewitter. Selbst der Mensch kann nicht ohne Furcht sein. Er fragt. 
Wen wird der flammende, das Leben im Nu zerstörende Strahl treffenꝰ 
Auf welche Wohnung wird er niederfahren, zünden und sie in einen 
Aschenhaufen verwandeln? Kann nicht ein Wolkenbruch, ein Platzregen 
eine verheerende Überschwemmung anrichten? Wird nicht der hagel 
die Früchte des Feldes niederschlagen? Leben, Gesundheit und Eigen⸗ 
lum stehen auf dem Spiele; wird es gerettet, wird es vernichtet 
werden? — Diese Fragen kann niemand beantworten. — Das Herz 
bebt; Felsen zittern; von wütenden Wogen wird das User gepeitscht. 
Oft folgen Blitz und Schlag schnell auf einander. Es fallen große 
Regentropfen. In einem Platzregen strömt das Wasser aus den Wolken 
hernieder. Aus den Thälern und Wäldern ist die ruhige Stille ent⸗ 
flohen; das Brüllen des Donners, das Toben und Stürmen hat sie 
verscheucht. 
Aber ohne Schaden ließ der Allmächtige das Gewitter vorüber— 
ziehen; er führte es weiter, um seine Schrecken, aber auch seine Wohl⸗ 
thaten in anderen Gegenden zu verbreiten. Strahlend und leuchtend 
tritt die Sonne am Tage, Mond und Sterne des Nachts hinter dem 
Gewölke wieder hervor. Der laute Krieg hat sich in einen fröhlichen 
Frieden verwandelt, die Natur lacht. Im frischen Grün prangt Wald 
und Flur; rein gewaschen vom Staube sind die Gewächse; munter und 
fröhlich singt der Chor der Vögel im Haine; trillernd schwingt sich 
die Lerche in die Luft. Die Schwüle hat sich abgekühlt; die Brust 
kann freier atmen; der Hauch eines erquickenden Lebens weht durch 
die ganze Natur. Wie wohlthätig ist das Gewitter! Preis und Au⸗ 
betung dem Allmächtigen, der das Verderben in Segen umwandelt! 
Müuüller.
	        
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