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38. Das Leben der Singpögel.
sich im Sonnenschein und warten, bis ihnen der Vater oder die Mutter ein
Würmlein, Mücklein oder Käferlein bringt und in den Schnabel steckt; denn
sich ihre Nahrung selbst zu suchen, sind sie noch zu einfältig. Haben sie
endlich auch das gelernt, und es kommt der Winter herbei, so ziehen
sie in zahlreicher Gesellschaft oder auch einzeln fort, um wärmere Gegenden
aufzusuchen und da zu warten, bis der Winter vorbei ist. Wenn dann die
Knospen der Blätter schwellen, wenn die Büsche und Hecken grün werden,
ziehen sie wieder in ihre Heimat. Sie verkündigen uns dann durch ihre
Wiederkunft den Frühling. Da trifft sie indessen manchmal ein Unglück. Sie
lassen sich nämlich bisweilen von warmer Witterung verleiten, zu bald auf die
Reise zu gehen. Kommen dann im März oder April noch kalte Tage mit
Schnee und Frost, so müssen gar manche von den armen Wanderern erfrieren
oder verhungern. Bleibt aber das Wetter warm, so schlagen sie in einem
grünen Busch oder auf einem blühenden Baume ihre Wohnung auf, singen
und spielen mit einander nach Herzenslust. Auch fangen sie an, Grashalme,
Stroh, Moos, Federn und dergl. herbeizutragen, um ihren künftigen Jungen
Ein Vogelnest.
im Verborgenen ein warmes, weiches Bett zu bereiten. Darauf legt das
Weibchen Eier und brütet sie aus, während ihm das Männchen etwas vor—
singt. Sind die Jungen ausgekrochen, so hören die Alten ganz zu singen auf,
weil sie nun alle Zeit auf die Versorgung ihrer Kleinen verwenden müssen.
Wenn sie nun alle diese Arbeit treulich gethan haben, so steht ihnen noch eine
schlimme Zeit bevor, nämlich die Zeit, in der sie ihre alten Federn verlieren
und neue bekommen. Während dieser Zeit sind sie kränklich, hören ganz auf
zu singen und verkriechen sich in die dicksten Gebüsche, bis ihnen ihr neuer
Federrock ganz gewachsen ist.