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Von ihrem zweiten Sohne Wilhelm, unserem glorreichen Kaiser, schrieb
sie in jenem Briefe an ihren Vater: „Unser Sohn Wilhelm wird,
wenn nicht alles trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und verständig.
Auch in seinem Außeren hat er die meiste Ähnlichkeit mit ihm.“
Im Jahre 1808 machte das Königspaar einen Besuch in Peters—
burg, wo es mit rührendster Herzlichkeit und beispiellosem Glanze auf—
genommen wurde. Alle Huldigungen vermochten jedoch der Königin
keine unbefangene Freude mehr zu bereiten; sie fühlte, daß ihr Reich
nicht mehr von dieser Welt sei Im Sommer 1810 drückte der König
seiner Luise die Augen zu — seines Lebens Sterne, die ihm auf
seiner dunklen Bahn so treu geleuchtet. Der tiefste Schmerz eines
ganzen Volkes begleitete den Leichenzug nach Berlin und nach Char—
lottenburg, wo ihr der edle Gemahl in dem berühmten Mausoleum!
eine Ruhestätte bereitet hat, wie sie ihrer und seiner würdig ist, ein
Heiligtum echter Fürsten- und Menschengröße.
92. Der Anfang der Befreiungskriege.
auer Napoleon hatte in einer Reihe von Feldzügen erst Osterreich,
dann Preußen so besiegt, daß sich beide Staaten allen Vedingungen unter—
worfen hatten, welche er ihnen stellte. So war das linke Rheinufer und
mancher andere Landesteil
zu Frankreich gekommen;
ein Bruder Napoleons war
mitten in Deutschland zum
König von Westfalen ge—
macht worden, und die klei—
neren Staaten des südlichen
und westlichen Deutsch—
lands hatten den Rhein—
bund geschlossen, der sie
ganz von Frankreich ab—
hängig machte. Aber der
Ehrgeiz des großen Er—
oberers war noch nicht ge—
sättigt. Im Jahre 1812
überschritt die große Armee
den Niemen; über ganz
Europa lagerte eine tiefe
Stille — denn nur in den
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Grabmal.