Full text: [Teil 7 = (7. u. 8. Schulj.), [Schülerbd.]] (Teil 7 = (7. u. 8. Schulj.), [Schülerbd.])

—: 306 — 
5. Der frömmste Mut ist Gottes Mut, 
der niemand Arges gönnt und tut: 
Er segnet, wenn uns schilt und flucht 
die böse Welt, die nimmer sucht, 
was Gott gefällt. 
4. Das treuste Herz ist Gottes Herz, 
treibt alles Unglück hinterwärts, 
beschirmt und schützet Tag und Nacht 
den, der stets hoch und herrlich acht't, 
was Gott gefällt. P. Gerhardt. 
165. Der Prozeß. 
Ja, ja, Prozesse müssen sein! 
Gesetzt, sie wären nicht auf Erden, 
wie könnt' alsdann das Mein und Dein 
bestimmet und entschieden werden? 
Das Streiten lehrt uns die Natur. 
Drum Bruder, recht' und streite nur. 
Du siehst, man will dich übertäuben; 
doch gib nicht nach, setz' alles auf 
und laß dem Handel seinen Lauf. 
Denn Recht muß doch Recht bleiben. 
„Was sprecht Ihr, Nachbar? Dieser Rain, 
der sollte, meint Ihr, Euer sein? 
Nein, er gehört zu meinen Hufen.“ 
„Nicht doch, Gevatter, nein, Ihr irrt! 
Ich will Euch zwanzig Zeugen rufen, 
von denen jeder sagen wird, 
daß lange vor der Schwedenzeit —“ 
„Gevatter, Ihr seid nicht gescheit! 
Versteht Ihr mich? Ich will's Euch lehren, 
daß Rain und Gras mir zugehören. 
Ich will nicht eher sanfte ruh'n; 
das Recht, das soll den Ausspruch tun.“ 
So saget Kunz, schlägt in die Hand 
und rückt den spitzen Hut die Quere. 
„Ja, eh' ich diesen Rain entbehre, 
so meid' ich lieber Gut und Land.“ 
Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten, 
er eilet nach der nahen Stadt. 
Allein Herr Glimpf, sein Advokat, 
war kurz zuvor ins Amt geritten. 
Er rennet und erreicht Herrn Glimpfen. 
„Herr!“ fängt er ganz erbittert an, 
„mein Nachbar, der infame Mann, 
der Schelm, ich will ihn zwar nicht schimpfen, 
der, denkt nur, sagt, der schmale Rain, 
der zwischen unsern Feldern lieget, 
der, sagt der Narr, der wäre sein. 
Allein, den will ich seh'n, der mich darum 
betrüget.“ 
„Herr“, fuhr er fort, „Herr, meine beste Kuh, 
sechs Scheffel Hafer noch dazu! 
GHier wieherte das Pferd vor Freuden.) 
O dient mir wider ihn und helft die Sach' 
entscheiden.“ 
„Kein Mensch“, versetzt Herr Glimpf, „dient 
freudiger als ich. 
Der Nachbar hat nichts einzuwenden. 
Ihr habt das größte Recht in Händen, 
aus Euren Reden zeigt es sich. 
Ich will Euch Eure Sache führen, 
ein Wort ein Mann! Ihr sollt sie nicht 
verlieren.“ 
Glimpf reitet fort. „Herr“, ruft ihm Kunz 
noch nach, 
„ich halte, was ich Euch versprach.“ 
Wie hitzig wird der Streit getrieben! 
Manch Ries Papier wird voll geschrieben. 
Das halbe Dorf muß auf das Amt. 
Man eilt, die Zeugen abzuhören, 
und fünfundzwanzig müssen schwören; 
und diese schwören insgesamt, 
daß, wie die alte Nachricht lehrte, 
der Rain ihm gar nicht zugehörte. 
Ei, Kunz, das Ding geht ziemlich schlecht! 
Ich weiß zwar wenig von dem Rechte, 
doch, im Vertrau'n gesagt, ich dächte, 
du hättest nicht das größte Recht. 
Manch widrig Urteil kommt; doch laßt 
es widrig klingen! 
Glimpf muntert seinen Schützling auf:
	        
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