Full text: [Teil 7 = (7. u. 8. Schulj.), [Schülerbd.]] (Teil 7 = (7. u. 8. Schulj.), [Schülerbd.])

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25. Aufmunterung zur Freude. 
1. Wer wollte sich mit Grillen plagen, 
so lang uns Lenz und Jugend blüh'n? 
Wer wollt' in seinen Blütentagen 
die Stirn in düstre Falten zieh'n? 
3. Noch rinnt und rauscht die Wiesenquelle! 
noch ist die Laube kühl und grün; 
noch scheint der liebe Mond so helle, 
wie er durch Adams Bäume schien! 
2. Die Freude winkt auf allen Wegen, 
die durch dies Pilgerleben geh'n; 
sie bringt uns selbst den Kranz entgegen, 
wenn wir am Scheidewege steh'n. 
4. Noch tönt der Busch voll Nachtigallen 
dem Jüngling hohe Wonne zu; 
noch strömt, wenn ihre Lieder schallen, 
selbst in zerriss'ne Seelen Ruh! 
5. O, wunderschön ist Gottes Erde 
und wert, darauf vergnügt zu sein 
Drum will ich, bis ich Asche werde 
mich dieser schönen Erde freu'n! 
L. H. Chr. Hoͤlty. 
26. Flecke und Risse in den Kleidern. 
Wenn du einen Flecken an deinem Kleide oder irgendwo einen Riß 
hast, denkst du oft: „Pah, das sieht man nicht, und die Leute haben anderes 
zu tun, als immer alles an mir auszumustern.“ — Du gehst dann frank 
und frei herum, und es kann oft sein, du hast recht, es sieht niemand den 
Flecken und den Riß. 
Wenn du aber etwas Schönes auf dem Leibe hast, sei es nur ein 
schönes Halstuch, oder ein frisch Hemd mit weißer Brust, oder gar eine 
goldene Nadel u. dgl., da gehst du oft mit herausforderndem Blicke hinaus 
und schlägst die Augen dann nieder, um nicht zu bemerken, wie alle Leute 
das, was sie in Händen haben, stehen und liegen lassen und gar nichts 
tun, als deine Herrlichkeit betrachten. — So meinst du, aber das ist auch 
gefehlt, kein Blick wendet sich nach dir und deiner Pracht. 
Das erste Mal, meinst du, man sieht dich gar nicht, und das andere 
Mal, die ganze Welt hat auf dich gewartet, um dich zu beschauen; aber 
beides ist gefehlt. — Gerade so ist's auch mit deinen Tugenden und Lastern. 
Wenn du einen bösen Weg gehst, meinst du, es kennt dich kein Mensch, 
und keiner sieht sich nach dir um, und es ist stockdunkel; wenn du aber dem 
Rechtschaffenen nachgehst, redest du dir oft ein, jeder Pflasterstein hat Augen, 
jedes Kind kennt dich und deine Gedanken, und tausend Sonnen scheinen. 
Aber das Gute wie das Schlimme wird oft von der Welt übersehen. Ein 
Auge sieht alles, das ist Gottes. 
Drum halte dich selber, vor deinem Gott über dir und deinem Ge— 
wissen in dir, in Ehren; dann brauchst du nicht das eine Mal zu fürchten, 
daß dich alles sieht, und dir dabei etwas vorzulügen, und das andere Mal 
zu zürnen, daß dich niemand sieht. 
B. Auerbach.
	        
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