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25. Graf Richard kam zu Vub daher,
ging neben seinem Pferde,
das trug des Riesen scehwere Mehr,
den Harnisch samt dem Schwerte:
„Mer suchen will im vilden Tann,
maneh WMaffenstück noch finden kann,
ist mir zu viel gewesen.“
26. Der Graf Garin thät ferne schon
den Schild des Riesen schwingen.
„Der hat den Schild, des ist die Kron',
der wird das Kleinod bringen!“
„Den Schild hab' ieh, ihr lieben Herrn!
Das Kleinod hätt' ieh gar zu gern,
doch das ist ausgebrochen.“
27. Zuletzt thät man Herrn Milon seh'n,
der nach dem Schlosse lenkte;
er Ließ das Röblein langsam geh'n,
das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
und trug ihm seinen starken Speer
zusamt dem festen Schilde.
28. Doch wie sie kamen vor das Schlob
und zu den Herr'n geritten,
macht' eér von Vaters Schilde los
den Zierat in der Mitten;
das Riesenkleinod setzt er ein,
das gab so wunderklaren Schein
als wie die liebe Sonne.
29. Und als nun diese helle Glut
im Schilde Milons branute,
da rief der König frohgemut:
„Heil, Milon von Anglante!
Der hat den Riesen übermannt,
ihm abgeschlagen Haupt und Hand,
das Kleinod ihm entrissen.“
30. Herr Milon hatte sieh gewandt,
sah staunend all die Helle:
„Roland! sag' an, du junger Vant,
wer gab dir das, Geselle?“
„Um Gott, Herr Vater, zürnt mir nieht,
dab ieh erschlus den groben Mieht,
derweil ihr eben schliefet.“ L. Vnland.
51. Ein guter Herr.
Mendelssohn-Bartholdy war ein großer Meister der Musik, der
in unserm deutschen Vaterlande nimmer vergessen werden soll. Hoch an—
gesehen und geehrt war er schon bei seinen Lebzeiten, wie er es verdiente
denn er war auch ein edler Mann.
Eine Reihe von Jahren, während er in Leipzig wohnte, hatte er
einen braven Diener, Namens Krebs, aus Lichtenau bei Lauban in der
Oberlausitz gebürtig, Sohn einer armen Witwe, die noch für vier andere
Kinder zu sorgen hatte. Krebs war ein guter Mensch und seinem lieben
Herrn treu ergeben; aber er war auch ein guter Sohn und Bruder, der
seine Lieben daheim nicht vergaß, als es ihm gut ging, und die schweren
Sorgen des treuen Mutterherzens dadurch zu erleichtern suchte, daß er
dem Mütterlein alle Monate zwei Thaler sandte von seinem ehrlich ver—
dienten Lohne. Mehrere Jahre hindurch waren diese Kindesgaben der
armen Mutter zugeflossen, und oft hatte sie dieselben mit Freudenthränen,
mit Dank gegen Gott und mit dem Segensgebete für den lieben Sohn
empfangen; da — kam ein Brief von Leipzig an, der von fremder Hand
geschrieben war. Zitternd erbricht ihn die Mutter. Er war von Herrn