— 322 —
wie starr zu sein, und dann kam ein graues Mäuslein hervor—
geschlüpft. Das hopste über die eine Baumwurzel, lief auf den
Fahrweg, der am Waldrande hinführte, sprang in eine tiefe Wagen—
spur und huschte geräuschlos und gewandt darin entlang. Ungefähr
hundert Meter weit fand es eine Eichel, nagte daran, sprang dann
quer über den Weg und wühlte sich in einen Haufen welker Eichen—
blätter. Lange blieb es darin verborgen; und nur wer aufmerksam
zusah, merkte an ganz schwachen Bewegungen, daß ein Tier unter
den Blättern war.
Endlich kam die Maus wieder hervor. Sie putzte sich den Pelz
ab, strich sich mit den Vorderpfoten über den Kopf und machte sich
auf den Heimweg. Der aber wurde ihr plötzlich durch einen herab⸗
gefallenen trockenen Zweig versperrt. Da bog sie schlank den Rücken,
um darüber weg zu kriechen. In demselben Augenblick aber, wie
sie sich dazu anschickte, spürte sie plötzlich einen furchtbaren Schmerz
im Rücken. Mit den beiden Vorderpfoten umklammerte sie den Zweig
vor sich, und dann wurden Maus und Zweig hoch in die Luft ge⸗—
hoben. Mit lautlosem Flügelschlage war eine Eule den Waldrand
entlang geflogen, hatte das Mäuslein an der Erde gesehen, mit dem
Schnabel erfaßt und wollte nun mit ihm davonfliegen. Weil es
sich aber an den Zweig festgeklammert hatte, nahm die Eule auch
diesen mit in die Luft. Das war eine ungewöhnliche Last. Die
Maus ließ den Zweig fahren, die Eule mochte glauben, die beste
Beute verloren zu haben, öffnete den Schnabel und machte Kehrt,
um ihn wieder zu packen. Der Zweig zerbrach, die Eule flog mit
lautem „U —hu —u“ davon, das Mäuslein aber war mit blutigem
Rücken, zum Tode erschöpft, in einen Dornbusch gefallen.
Das alles hatte sich viel rascher abgespielt, als ich es erzählen
kann. Die Maus kroch durch die Stachelzweige bis an die Erde,
stolperte über den höckerigen Weg und wollte auf ihm entlang nach
Hause, zu ihrem Gange unter der dicken Wurzel der Buche huschen.
Unterwegs aber versagten ihr die Kräfte; sie blieb schon nach wenigen
Sprüngen wie tot liegen.
Am andern Morgen, als die Sonne auf den einsamen Waldweg
schien, lag in einer Vertiefung die tote Maus mit dem aufgerissenen
Rücken. Die Sonnenstrahlen konnten sie nicht wieder beleben; sie
war schon steif und kalt. Die Bäume rauschten, die Vögel sangen,
ein Bauer mit der Pfeife im Munde und einer Sense auf der Schulter
ging des Weges, aber niemand beachtete die Maus. Die lag auf
der Erde, und der Körper fing an, schlecht zu werden, und begann zu