Full text: [Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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wie starr zu sein, und dann kam ein graues Mäuslein hervor— 
geschlüpft. Das hopste über die eine Baumwurzel, lief auf den 
Fahrweg, der am Waldrande hinführte, sprang in eine tiefe Wagen— 
spur und huschte geräuschlos und gewandt darin entlang. Ungefähr 
hundert Meter weit fand es eine Eichel, nagte daran, sprang dann 
quer über den Weg und wühlte sich in einen Haufen welker Eichen— 
blätter. Lange blieb es darin verborgen; und nur wer aufmerksam 
zusah, merkte an ganz schwachen Bewegungen, daß ein Tier unter 
den Blättern war. 
Endlich kam die Maus wieder hervor. Sie putzte sich den Pelz 
ab, strich sich mit den Vorderpfoten über den Kopf und machte sich 
auf den Heimweg. Der aber wurde ihr plötzlich durch einen herab⸗ 
gefallenen trockenen Zweig versperrt. Da bog sie schlank den Rücken, 
um darüber weg zu kriechen. In demselben Augenblick aber, wie 
sie sich dazu anschickte, spürte sie plötzlich einen furchtbaren Schmerz 
im Rücken. Mit den beiden Vorderpfoten umklammerte sie den Zweig 
vor sich, und dann wurden Maus und Zweig hoch in die Luft ge⸗— 
hoben. Mit lautlosem Flügelschlage war eine Eule den Waldrand 
entlang geflogen, hatte das Mäuslein an der Erde gesehen, mit dem 
Schnabel erfaßt und wollte nun mit ihm davonfliegen. Weil es 
sich aber an den Zweig festgeklammert hatte, nahm die Eule auch 
diesen mit in die Luft. Das war eine ungewöhnliche Last. Die 
Maus ließ den Zweig fahren, die Eule mochte glauben, die beste 
Beute verloren zu haben, öffnete den Schnabel und machte Kehrt, 
um ihn wieder zu packen. Der Zweig zerbrach, die Eule flog mit 
lautem „U —hu —u“ davon, das Mäuslein aber war mit blutigem 
Rücken, zum Tode erschöpft, in einen Dornbusch gefallen. 
Das alles hatte sich viel rascher abgespielt, als ich es erzählen 
kann. Die Maus kroch durch die Stachelzweige bis an die Erde, 
stolperte über den höckerigen Weg und wollte auf ihm entlang nach 
Hause, zu ihrem Gange unter der dicken Wurzel der Buche huschen. 
Unterwegs aber versagten ihr die Kräfte; sie blieb schon nach wenigen 
Sprüngen wie tot liegen. 
Am andern Morgen, als die Sonne auf den einsamen Waldweg 
schien, lag in einer Vertiefung die tote Maus mit dem aufgerissenen 
Rücken. Die Sonnenstrahlen konnten sie nicht wieder beleben; sie 
war schon steif und kalt. Die Bäume rauschten, die Vögel sangen, 
ein Bauer mit der Pfeife im Munde und einer Sense auf der Schulter 
ging des Weges, aber niemand beachtete die Maus. Die lag auf 
der Erde, und der Körper fing an, schlecht zu werden, und begann zu
	        
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