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Etagentür gegen die Kette, die davor gespannt ist. Heini läuft schnell
hin und sieht nach, wer da ist. „Mutter, Mutter, ein Mann will
was verkaufen", ruft er. Die Mutter kommt und macht die Tür ganz
auf. Ein alter Mann steht auf dem Vorplatz. O, er hat nur ein
Bein und geht an einer Krücke. An einem breiten Riemen trägt er
einen Kasten. Schuhcreme, Nadeln und Band hat er drin, und auch
Schuhbänder hängen an der Seite. „Guten Morgen, Frau Müller,
wieder 'ne Kleinigkeit gefällig?" — „Guten Morgen, Vater Kruse, na,
wie geht's denn? Sie waren ja lange nicht hier?" — „Na, manchmal
könnte es ja besser sein, Frau Müller, und dann die vielen Treppen.
Das Steigen fällt mir doch schon schwer. Man wird alt." — „Geben
Sie mir mal eine Schachtel Schuhcreme und ein Dutzend Stiefelbänder."
— „Adjö, Frau Müller!" — „Adjö, Kruse; gute Geschäfte!"
Richard Hennings, Klein Heini.
120. Der Jahrmarkt.
fahren mehrere beladene Wagen vorbei. Frauen gehen dahin
mit Körben, Männer mit Tragen. Alles zieht nach dem großen
Marktplatze, der an dem einen Ende der Straße ist. Mariechen und
Karl sind viel am Fenster und freuen sich über die vielen Spielsachen,
die auch vorbei getragen werden. Sie wollen auch gern zur Haustüre
hinaus, um alles genauer besehen zu können; aber die Mutter leidet es
nicht, sie sagt: „Es geht nicht, es ist draußen zu voll, da könnte euch
leicht ein Unglück begegnen. Wenn ihr artige Kinder seid, will ich
morgen mit euch hingehen, da sollt ihr die Herrlichkeiten recht nahe
besehen."
2. Karl und Mariechen gehen recht früh zu Bett, damit bald
morgen kommt. Wie nun morgen da ist, da arbeiten sie ganz fleißig
und sehen immer zwischendurch einander an und lächeln. Als sie fertig
sind, sehen sie die Mutter freundlich an, und die fragt: „Na? Was
wollen wir nun?"
Karl: „Nun gehen wir mit dir aus!"
Mutter: „Ja, wirklich?"
Marie: „Ja wirklich, Mutter, du hast es uns versprochen!"
Mutter: „Nun, wenn ich es euch versprochen habe, da muß ich
wohl Wort halten. So geht und holt eure Hüte, und dann geht unten
ins Schreibzimmer und sagt euerm Vater, daß die Mutter mit euch
nach dem Jahrmärkte gehen will." Eins, zwei, drei, laufen die Kinder
fort, machen sich fertig und gehen zum Vater. Der ruft ihnen entgegen:
„Sieh da! wollt ihr aus? Wo soll denn die Reise hingehen?"