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105. Die drei Brüder.
1. Es war ein Mann, der hatte drei Söhne und weiter nichts im
Vermögen als das Haus, worin er wohnte. Nun hätte jeder gerne nach
seinem Tode das Haus gehabt; dem Vater war aber einer so lieb wie der
andere. Da wußte er nicht, wie er's anfangen sollte, daß er keinem zu nahe
trete. Verkaufen wollte er das Haus auch nicht, weil's von seinen Vor¬
eltern war, sonst hätte er das Geld unter sie geteilt. Da fiel ihm end¬
lich ein Rat ein. Er sprach zu seinen Söhnen: „Geht in die Welt und
versucht euch, und lerne jeder sein Handwerk; wenn ihr dann wiederkommt,
wer das beste Meisterstiick macht, der soll das Haus haben."
2. Das waren die Sohne zufrieden. Der älteste wollte ein Huf¬
schmied, der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden.
Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Hans zusammen¬
kommen wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen
tüchtigen Meister fand, wo er 'was Rechtschaffenes lernte. Der Schmied
mußte des Königs Pferde beschlagen und dachte: „Nun kann dir's nicht
fehlen, du kriegst das Haus." Der Barbier rasierte lauter vornehme
Herren und meinte auch, das Haus wäre schon sein. Der Fechtmeister
kriegte manchen Hieb, biß aber die Zähne zusammen und ließ sich's nicht
verdrießen, denn er dachte bei sich: „Fürchtest du dich vor einem Hieb,
so kriegst du das Haus nimmermehr." Als nun die gesetzte Zeit herum
war, kamen sie bei ihrem Vater wieder zusammen. Sie wußten aber nicht,
wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen
beisammen und ratschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase
übers Feld daher gelaufen. „Ei," sagte der Barbier, „der kommt wie
gerufen", nahm Becken und Seife, schäumte so lange, bis der Hase in
die Nähe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasierte ihm
auch in vollem Laufe ein Stutzbärtchen, und dabei schnitt er ihn nicht
und tat ihm an keinem Haare weh. „Das gefällt mir," sagte der Vater,
„wenn sich die andern nicht gewaltig anstrengen, so ist das Haus dein."
Es währte nicht lange, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerannt
in vollem Jagen. „Nun sollt Ihr sehen, Vater, was ich kann", sprach
der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferde, das in einem
fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue
wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl," sprach der Vater, „du machst
deine Sachen so gut wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus
geben soll." Da sprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal ge¬
währen", und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte
ihn in Krenzhieben über seinen Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und