Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerbd.]] (0002)

Dort ist es still, und es ruht sich so angenehm im weichen Moose. 
Die Binder suchen Maiglöckchen und nehmen einen Busch mit nach 
Hause. Noch lange Zeit erinnert er an den Pfingstspaziergang in 
den Wald. Alfred Kodantke. 
17. Zum Totenfest. 
1. Draußen auf dem Friedhof war Mariechen gewesen. Das 
Grab hatte die Kleine besucht, in dem nun schon lange das Mütter¬ 
chen, das liebe, gute Mütterchen, schlief. Am Grabe hatte das Kind 
eine lange, lange Zeit gestanden und hatte geträumt von den schönen, 
wunderschönen Tagen, als das Mütterchen noch lebte und sein kleines 
Mädchen noch herzte und küßte. Und wie nun das Kind so da¬ 
gestanden hat, da ist's ihm auf einmal so schwer ums Herz geworden. 
Es hätte am liebsten laut aufschreien mögen, so traurig war's auf 
einmal. Und das kleine Herz in der Brust, das pochte so bang und 
doch so wild, als wär' ihm die Brust zu eng. Und Mariechen hatte 
die Zähne fest aufeinanderbeißen müssen, damit es nicht weinte. 
2. Eine lange Zeit hat das Kind so gestanden und vor Traurig¬ 
keit nicht gewußt, was es anfangen soll. Da haben auf einmal die 
Glocken der Friedhofskirche zu läuten angefangen. Komm, komm! 
haben sie immer gerufen. Und langsam ist das Mädchen zur Kapelle 
hingegangen, zur Tür hinein und hat sich ganz in eine dunkle Ecke 
gesetzt und hat so recht von Herzen geweint. Und da sind noch viel 
mehr Leute gekommen. Die Orgel ist erklungen, und auf einmal 
hat es so wundersam weich und mild durch die Kirche geklungen: 
„Es ist bestimmt in Gottes Rat, 
daß man vom Liebsten, was man hat, muß scheiden. 
Wiewohl doch nichts im Lauf der Welt 
dem Herzen, ach! so sauer fällt als Scheiden. 
Nun mußt du mich auch recht verstehn. 
Wenn Menschen auseinander gehn, 
so sagen sie: Auf Wiedersehn! 
Auf Wiedersehn!" 
3. Und wie das Lied zu Ende war, da ist Mariechen still auf¬ 
gestanden und hat nicht mehr geweint, und sein Herz ist wieder ruhig 
gewesen. Und wenn das Herz wieder traurig werden wollte, da hat 
das Kind an das Lied denken müssen, das in der Kirche so wunder¬ 
schön und so lieb geklungen hat. Robert Theuermeister.
	        
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