— 11 —
noch viel, viel mehr sind es nicht. Da muß weiter gearbeitet werden.
Auch dn kannst für das große Werk etwas tun, indem bit eine Gabe,
sei sie auch nur klein, für die Heidenmission spendest. Alfred Kodantke.
20. Seliger Tod.
1. In Berlin war's, an einem Weihnachtsheiligabend, daß ein großes,
blondes Weib nach dem „Prediger bei den Soldaten" fragte. Sie schaute
mich an, und als sie die weißen Haare sah, sagte sie: „Ja, Sie sind der
alte Herr, beit er meint." Ich wußte noch immer nicht, was sie wollte.
Endlich sagte sie: „Wir sind Schiffersleute aus Litauen und fahren hierher
nach Berlin. Da ist mein Vater immer in Ihre Kirche gegangen; jetzt
ist er todkrank und möchte gern das heilige Abendmahl von dein alten
Herrn haben. Kommen Sie doch schnell mit!"
Ich zog den Pelz an, nahm die heiligen Gefäße und folgte dem Weibe.
Wir kamen an die Spree. „Da wohnen wir, im siebenten Kahne. Geben
Sie acht, daß Sie nicht fallen!" Es war dunkel und glatt; ein schmales
Brett war von einem Schiff auf das andre gelegt; zwischen den Kielen das
Wasser in der Tiefe! Ich wußte kaum, wie ich da hinüberkommen sollte. Sie
zog mich aber langsam nach sich, und endlich waren wir am siebenten Kahne.
2. Wir stiegen hinab; da lag in der Schiffskoje, sauber weiß an¬
gekleidet, das schwarze Samtmützchen auf dem Kopse, ein Greis mit un¬
endlich freundlichem Ausdruck. Er zog das Miitzchen ab und küßte mir
die Hand. Es lag ein langes Leben hinter ihm. In den Befreiungs¬
kriegen hatte er mitgekämpft und später viele Meer- und Kanalfahrten
gemacht. Von seiner ganzen Familie war ihm niemand geblieben als
die verwitwete Tochter und ein Enkelkind, die beide am weißgedeckten Tischchen
saßen. Als ich die Beichte begann, faltete er die Hände und sprach sie
selbst mir vor, noch manches dazusetzend ans seinem Leben, was ihn drückte.
Nach dem heiligen Abendmahle lag er still da, die Hände über der Brust
gefaltet, ein Bild tiefsten Friedens. Noch einmal küßte er mir dankbar
die Hand, und ich stieg hinauf.
3. Draußen war lautes Leben. Die Leute eilten vom Weihnachts¬
markt heim zur Bescherung; in vielen Häusern sah man den Christbaum
schon angesteckt. — Ich aber dachte an den alten Simeon da unten im Spree¬
kahn und an das schone Weihnachtsgeschenk, das ihm bereitet sei, und an
den Christbaum droben, dessen Lichter ihm schon entgegenblickten. — Noch
am Abend starb er. Seine Leiche legte man in einen Zinksarg, der ver¬
lötet wurde, und im Frühjahr nahm die Tochter den toten Vater mit,
daß er ruhe in heimischer Erde, 's war auch ein „Heiliger Abend" da
unten auf der Spree! Emil Frommel.