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Augen führen! Und mit welcher Liebe hingen die Landbewohner an
diesem edlen Königspaare!
Als Napoleon im Jahre 1806 den preußischen Staat zertrümmerte
und ein Jahr später nach dem Frieden von Tilsit alle Länder westlich
der Elbe von dem alten Stamme abtrennte, da fühlten die treuen Be¬
wohner dieser Länder erst, wie innig sie mit ihm verwachsen waren.
Der König schrieb an die Westfalen, die nun zu Frankreich gehören
sollten, einen herzergreifenden Abschiedsbrief:
„Das Schicksal gebietet, der Vater scheidet von seinen Kindern.
Ich entlasse Euch aller Untertanenpflicht gegen Mich und Mein Haus.
Euer Andenken kann kein Schicksal, keine Macht aus Meinem und der
Meinigen Herzen vertilgen."
Also hieß es in dem Briefe des Monarchen, und mit rührenden
Worten schrieben die treuen Westfalen in den Klängen ihrer trauten
plattdeutschen Mundart die Antwort:
„An König Friedrich Wilhelm den Goden.
Dat Hart in Live wulte uns breken, as wi dinen Affscheed lesen,
un noch hüte känen wi uns nich äwerreden, dat wi nu uphören sälen,
dine truen Underdanen to sin, de di doch so von Harten leew hewwen —.
Uns Herrgott mag uns bistahn! Wi hapen (hoffen), dat uns' nie Herr
uns unse Sprake un Sitten, unser Gloven un uns Wesen ewenso be¬
wahren un achten ward, as du, uns hartleev un gode König, dat alltied
dahn hest. Uns Herrgott gev di Gesundheit, Fred und Freud. Wi
weren de Dinigen."
Das ein Beispiel der Treue aus dem Westen des Preußenlandes.
Jetzt noch eins aus dem Osten!
Als der König während jener Unglückszeit mit seiner Familie im
Schlosse zu Königsberg in Preußen wohnte, kam eines Tages ein
Bauersmann mit seiner Frau zu ihm. Es war Abraham Nickel aus
der Gegend von Kulm an der Weichsel, der als Abgesandter mehrerer
Dorfgemeinden der Weichselniederung zum Könige kam und diesen also
anredete: „Gnädiger Herr! Deine treuen Untertanen in Preußen haben
mit großer Betrübnis von der Not erfahren, die dich getroffen hat.
Deshalb sind wir in unsern Gemeinden zusammengekommen, und ein
jeder hat für dich etwas gegeben. Wir bitten dich nun, diese Gabe,
die von treuen Herzen kommt, anzunehmen."
Mit diesen Worten überreichte der Bauersmann dem Könige einen
Beutel mit 3000 Friedrichsdor, eine Summe, die nach unserm heutigen
Gelde 51000 Mark beträgt. Dem Könige traten Tränen der
Rührung in die Augen. Er nahm ein Blatt Papier und bestätigte
darauf den Empfang des Geldes mit folgenden Worten: „Mit Dank
habe ich die Gabe meiner treuen Untertanen in Preußen, 3000 Fried¬
richsdor, empfangen und sehe darin ein Darlehn, das sie von gutem