Full text: [Teil 3 = Kl. 7, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Kl. 7, [Schülerbd.])

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14. Der Müller denkt: Man sucht am End' auch hier; 
darum behalt' ich diesen Löffel nicht bei mir! — 
Er geht und will verscharren ihn im Sand; 
als Plötzlich Ehrenkaspar vor ihm stand: 
„Gib her den Löffel!" 
15. Vor Schreck entfiel der Löffel da dem Mann; 
doch Kaspar rief sein ganzes Volk heran 
und rief: „Ich hab' den Dieb, ich hab' den Dieb, 
der ist mir lieb, der kriegt nun manchen Hieb; 
flink her mit den Löffeln!" 
16. Da kam das kleine Volk herbei 
und schlug mit Löffeln ihn beinah zu Brei. 
Der Müller rief da öfters: „Mit Verlaub!" — 
Allein man klopft ihm aus den Müllerstanb: 
„Da, stiehl wieder Löffel!" 
110. ver kluge PMerlmg. Von Heinrich Seiäet. 
Gedichte. Gesamtausgabe. Stuttgart und Berlin 1903. 8. 206. 
Vorzeiten einst, vor langen Jahren, 
als Zwerge noch im Lande waren, 
herrscht' in Graubünden große Not, 
es wütete der Schwarze Tod; 
5 wer morgens frisch und rosig war, 
lag abends auf der Totenbahr'. 
Von: Morgenrot zum Abendschimmern 
hört man das Sterbeglöcklein wimmern. 
Und weiter fraß die Pest umher, 
IO und ganze Höfe starben leer. 
Kein Mittel konnt' das Unheil zügeln: 
es füllten sich mit schwarzen Hügeln 
Friedhöfe bis an ihren Rand, 
und Not und Wehklag war im Land. 
15 Doch wunderbar, am Zwergenvolke 
da ging vorüber diese Wolke: 
sie lebten, wie sie es gewohnt, 
und blieben von der Pest verschont, 
so daß es klärlich lag am Tage, 
20 sie kannten Mittel für die Plage. 
Doch, was das Zwergenvölklein weiß, 
entlockt ihm weder kalt noch heiß. 
Vergebens Bitten war und Fragen, 
denn keinem wollten sie es sagen, 
bis daß ein kluger Bauersmann 25 
sich endlich eine List ersann. 
Er kannte so ein kleines Ding 
von Zwerg, mit Namen Pfifferling, 
der oft die Ziegen ihm gehütet, 
was er dann also ihm vergütet, 30 
daß er auf einen Stein ihm legte 
die Nahrung, dran der Zwerg sich pflegte. 
Ein Löchlein war in diesem Stein, 
das füllte dieser Mann mit Wein: 
Veltliner war's von bester Sorte — 35 
und dann verbarg er sich am Orte. 
Das Zwerglein kam alsbald gegangen 
und sah den Wein an mit Verlangen. 
Doch sprach es alsofort zu sich: 
„Ei, Pfifferling, nun hüte dich! 40 
Denn wenn du von dem Weine trinkst 
und drob in Trunkenheit versinkst, 
so schwatzest du — daß dich der Daus! — 
am Ende ein Geheimnis aus!" 
Doch glänzten ihm die Äugelein — 45 
wie duftete der edle Wein! 
Und auf die Knie legte sich 
Klein-Pfifferling und pflegte sich 
begierig an dem edlen Duft,
	        
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