Full text: Weltgeschichte in funfzig Lebensbildern

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Napoleon selbst verließ zeitig genug das Heer, eilte nach Paris, 
log den Franzosen Was vor und — rüstete von Neuem. 
Preußen erkannte jetzt die Zeichen des göttlichen Gerichts. 
General Pork war schon auf dem Rückzuge aus Rußland zu den 
Russen übergetreten, nun sagte auch der vielgeprüfte, fromme und 
demüthige König Friedrich Wilhelm III., daß es Zeit sey, begab sich 
nach Breslau, erließ einen Aufruf *) an sein Volk und erklärte 
an Frankreich den Krieg. Helle Begeisterung entflammte das 
ganze Volk, die Jüngeren brannten vor Begierde mitzuziehen, die 
Alten und Schwachen, die Frauen und Jungfrauen gaben das 
Beste her, was sie hatten, Gold, Silber, Schmuck, ja die eignen 
Haare, um ärmere Krieger auszurüsten; Gelehrte, Studenten, 
Schüler, selbst Jungfrauen ergriffen das Schwert; ganz Preußen 
war wie eine große Waffenstätte: es galt, die alte Ehre wieder 
zu erringen, das Vaterland frei zu machen von den Schergen der 
Tyrannei. Preußen und Russen, 200,000 M. stark, rückten in 
Sachsen ein. Aber Napoleon hatte auch nicht gesäumt, er hatte 
in Frankreich nun 300,000 M. ausheben lassen, dazu die alten 
Truppen aus Spanien gezogen und neuen Zuschuß vom Rhein¬ 
bünde erpresst. Er sollte jetzt aber seinen Gegner finden: der alte 
Blücher, der schon unter Friedrich dem Großen gedient hatte 
und welcher der Abgott seiner Soldaten war, hatte den Oberbefehl 
*) „So wenig für mein treues Volk, als für alle Deutsche, bedarf es einer 
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar lie¬ 
gen sic dem unverblendcten Sinne vor Augen. Wir erlagen unter der Über¬ 
macht Frankreichs. Der Friede schlug uns tiefere Wunden, als selbst der 
Krieg; das Mark des Landes ward ausgcsogen, der Ackerbau, so wie der 
Kunsiflekß der Städte, gelahmt; die Hauptfcstungcn blieben vom Feinde be¬ 
setzt. Übermuth und Treulosigkeit vereitelten meine besten Absichten, und 
nur zu deutlich sahen wir, daß Napoleons Verträge mehr noch, wie seine 
Kriege uns langsam verderben mussten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, 
wo alle Täuschung aufhbrt. Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, 
Lithauer! Ihr wisst, was euer trauriges Loos scyn wird, wenn wir den 
beginnenden Kampf nicht ehrenvoll endigen! — Große Opfer werden von 
Allen gefordert werden; denn unser Beginnen ist groß und nicht gering die 
Zahl und die Mittel unserer Feinde. Aber welche auch gefordert werden, 
sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für welche wir sie hingebcn, für die 
wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhdren wollen, Preußen 
und Deutsche zu sein. — Mit Zuversicht dürfen wir vertrauen, Gott 
und ein fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, 
und mit ihm die Wiederkehr einer glücklichen Zeit!"
	        
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