Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen ([Teil 3, [Schülerbd.]])

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Fenster des Zimmers, damit hernach keine Bienen eindringen möchten, 
welche die Menschen gern bis in das Haus hinein verfolgen. Dann 
begaben wir uns in die Küche, legten einige glühende Kohlen in 
eine Schaufel und gingen hinaus in den Garten. 
Es war ein schöner, warmer Herbsttag. Feine Marienfäden 
flatterten in der klaren Luft, unt/die Strahlen der reinen Herbstsonne 
vergoldeten die Blumen und das Laub, das sich am wilden Weine 
der Laube schon prächtig rot zu färben begann. 
Es war, als wenn die Bienen errieten, was wir tun wollten. 
Während sie uns sonst alle Tage ruhig herankommen ließen, bedeckten 
sie uns jetzt in einer Minute vom Kopfe bis zu den Füßen, als wir 
uns den Stöcken näherten. Sie schwirrten dicht um unsere Masken 
herum, aber das half nichts; wir mußten vorbei. 
Wir begannen nun, vor den drei großen mittleren Körben zu 
räuchern. Ich legte den alten Lappen zwischen die glühenden Kohlen, 
und der Pfarrer bewegte den Blasebalg. 
Als die Bienen den Rauch verspürten, flogen sie sogleich fort. 
Dann kehrte der Pfarrer den ersten Korb um, und da die Bienen bis 
auf eine kleine Anzahl, die wie betäubt dalagen, fortgeflogen waren, 
begann er die ersten Honigscheiben herauszuschneiden. 
Ich reichte dem alten Herrn die Töpfe, und er legte sorgsam 
die Scheiben hinein, immer die eine auf die andere. Das Wachs war 
weiß wie Schnee und der Honig so schön wie nur möglich, ganz 
durchsichtig und golden. 
Die Hitze war groß; viele Bienen kamen wieder zurück; wir 
mußten von neuem räuchern. 
So nahmen wir zehn Körbe durch, indem wir die jüngsten 
Schwärme übergingen, die noch nicht Zeit gehabt hatten, alle ihre 
Vorräte einzuholen. Trotzdem hatten wir beinahe die Pfunde, von 
denen der Pfarrer gesprochen hatte; acht große Töpfe waren voll. 
Sorgfältig hatte er die jungen Bienen geschont, die noch ohne Flügel 
und in Gestalt kleiner, weißer Raupen in den Zellen eingeschlossen 
waren. „Das ist die Hoffnung für die Zukunft, die man nicht 
zerstören darf," sagte er zu mir. 
Schließlich brachten wir alles wieder in Ordnung und überzogen 
die obere Seite der Körbe mit Tonerde, damit für den Winter die 
Kälte abgehalten werde. Dann trugen wir die Töpfe nacheinander 
in ein kleines Hinterzimmer des Pfarrhauses. 
Als Susanne uns herankommen sah, lief sie schnell davon; die
	        
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