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besitz eine Ausdehnung erhalten, wie kein früheres Kaiser¬
geschlecht ihn aufzuweisen hatte, nicht nur, dass zu den
burgundischen Ländern auch noch das ehemalige Bisthum
Utrecht, Groningen und Westfriesland erworben worden sind,
auch Mailand, das der spanischen Linie des Hauses mit
überwiesen wird, und die Länder der böhmischen Krone
sind den Habsburgern zugefallen, während sie von Ungarn
vorläufig nur den nördlichen und nordwestlichen Theil be-'
sitzen. — Im Uebrigen ist der in Folge der Uebertragung
der sächsischen Kurwürde von der älteren ernestinischen
auf die jüngere albertinische Linie des Hauses Wettin ein¬
getretene veränderte Besitzstand beider bemerkenswerth. In
Süddeutschland tritt auch schon das neue Herzogthum
Wirtemberg mehr und mehr hervor, während sich in
Norddeutschland das Kurfürstenthum Brandenburg unter
dem kräftigen Geschlechte der Hohenzollem bisher zwar
nur langsam aber stetig vergrössert hat. Die Verwandlung
des Ordenslandes Preussen in ein weltliches, freilich vor¬
läufig noch als polnisches Lehen bestehendes Herzogthum
unter einem Hohenzollern aus der ansbachischen Linie sollte
später für Brandenburg von der allergrössten Bedeutung
werden.
Wie sich in Brandenburg allmählich im Norden der
Staat bildet, der von der Vorsehung bestimmt ist, der
Wiedereiniger und Wiederhersteller des zerfallenen Deutsch¬
lands zu werden, so im Süden derjenige, welchem später
für Italien dieselbe Rolle zugefallen ist, Savoien
Die in so manchen Stücken so unheilvoll gewesene und
doch auch wieder in Folge der durch dieselbe bewirkte
Germanisierung Schleswigs so segensreich gewordene Ver¬
bindung Holsteins mit Dänemark wird auf dieser und
den folgenden Karten durch die beiden Ländern gemeinsame
Farbe zum äussern Ausdruck gebracht.
Mittel-Europa nach dem westfälischen Frieden im
Jahre 1648.
Die sehr bedeutenden Veränderungen in den Besitz¬
verhältnissen, welche dieses Blatt gegen die vorhergehenden
nachweist, sind grösstentheils die Ergebnisse des westfälischen
Friedens, Durch die Losreissung der Schweiz von Deutsch¬
land ist die unmittelbare territoriale Verbindung desselben
mit den Reichsländern Italiens unterbrochen. Im Nordwesten
sind die vereinigten Niederlande, die sich in langem
Kampfe von Spanien losgerungen, auch aus dem deutschen
Reichsverbande ausgeschieden und durch die nun endgültig
an Frankreich vollzogene Abtretung der Bisthümer und
Städte Metz, Toul und Verdun, die der französische
König freilich bereits seit einem Jahrhundert als „Reichs-
vicar" im Besitze gehabt, und des oberen Elsasses er¬
scheint das feindliche Nachbarland gleichsam wie mit der
Spitze eines Keiles in den Reichskörper hineingetrieben.
Auch über Italien hat die Reichsgewalt so gut wie auf¬
gehört, wenn der Kaiser auch später noch gegen kleinere
italienische Dynasten, wie die Herzoge von Mantua und
Mirandola, die er während des spanischen Erbfolgekrieges
in die Reichsacht erklärte, kaiserliche Acte vollzogen hat.
Aber auch innerhalb des Reiches sind grosse Veränderungen
vor sich gegangen. Brandenburg, das schon vorher
durch das Aussterben der jülich-kleve-bergischen Herzoge
seine ersten westdeutschen Besitzungen erworben, erhält
jetzt Hinterpommern (mit Kammin), Magdeburg*), Halber-
*) Brandenburg erhielt im westfälischen Frieden bekanntlich nur
die Anwartschaft auf Magdeburg, zum vollen Besitz des Landes ge¬
langt es erst 1680 nach dem Tode des letzten Administrators, des
Herzogs August von Sachsen-Weissenfeis. Da die Stände aber in
Folge der westfälischen Friedensbestimmungen dem Kurfürsten die
Eventualhuldigung leisteten, so ist für das Herzogthum auf dieser
Karte bereits die brandenburgische Farbe gewählt worden.
Stadt, Minden und einen Theil der Grafschaft Hohnstein zu¬
gewiesen. Schweden behält im Frieden Vorpommern (mit
Rügen), Bremen, Verden, die Stadt Wismar und das bisher
mecklenburgische Amt Neukloster, alles als Lehen des Reiches,
es gelangt dadurch zu bedeutendem Einfluss auf die inneren
Angelegenheiten desselben. Sachsen wird mit den beiden
Lausitzen als böhmischen Lehen und das nunmehrige Kur¬
fürstenthum Baiern mit der Oberpfalz abgefunden, Hessen-
Kassel erwirbt die Abtei Hersfeld. Es sind also zum gros¬
sen Theil frühere während der Reformationszeit protestantisch
gewordene geistliche Lande, welche jetzt endgültig in welt¬
lichen Besitz übergehen. Die sonstigen traurigen Bestim¬
mungen des westfälischen Friedens, soweit sie das innere
Verhältniss der Reichsstände zu Kaiser und Reich und
gegeneinander änderten, konnten selbstverständlich äusser-
lich nicht kartographisch zur Darstellung gelangen.
Im Gegensatz zu dem auf das äusserste zerrissenen
Deutschland ist die äussere Staatseinheit des Königreichs
Frankreich jetzt vollständig durchgeführt; das Land ist
in Gouvernements eingetheilt. In welcher Weise es sein
durch diese Einheit erlangtes Uebergewicht besonders über
Deutschland benutzt, hat sich bereits in dem eben voll¬
endeten dreissigjährigen Kriege gezeigt und sollte bald noch
offenbarer werden.
Das polnische Lehnsherzogthum Preussen ist jetzt (seit
1618) nach dem Aussterben des herzoglichen Hauses im
Besitze der kurfürstlichen Linie des Hauses Hohenzollem,
eine Erwerbung, die sehr bald von der weitreichendsten Be¬
deutung werden sollte. — Im Südosten zeigt uns die Karte
die grösste Ausdehnung des osmanischen Reiches in¬
nerhalb Ungarns, von welchem Königreiche den Habsburgern
nur ein schmaler Grenzstrich verblieben ist. Die Türken
haben den Höhepunkt ihrer Machtstellung erreicht.
No. 12. i
Europa im Jahre 1721.
Die Raubkriege Ludwigs XIV., die Österreich-türkischen
Kriege, der spanische Erbfolgekrieg und der nordische
Krieg haben die politische Gestaltung Europa's abermals
sehr wesentlich verändert. Im Westen zeigt sich ein aber¬
maliges Zurückweichen der Reichsgrenze: Artois, ein Theil
Flanderns, die Franche Comté und ganz Elsass sind Frank¬
reich zum Opfer gefallen. In Folge der Zersplitterung der
grossen spanischen Monarchie ist Spanien jetzt auf sich
selbst beschränkt, die Niederlande, Mailand, Neapel und
Sicilien sind Oesterreich, Sardinien (seit 1720, wo es diese
Insel nebst der Königswürde gegen das im Frieden er¬
worbene Sicilien von Oesterreich eintauschte) dem Hause
Savoien, ein Theil Gelderns Preussen zugefallen, dessen im
Jahre 1701 angenommene königliche Würde nun allseitig
anerkannt wird. — Der nordische Krieg hat das Ueber¬
gewicht Schwedens gebrochen, von den Besitzungen die¬
ses Reiches sind Bremen und Verden an das neue Kur¬
fürstenthum Hannover, Vorpommern südlich der Peene an
Preussen, Livland, Esthland und Ingermanland (und damit
der Zutritt zum Meere) an Russland gefallen. Letzteres
hat im Laufe des vergangenen Jahrhunderts auch grosse
Eroberungen gegen Polen und gegen das Chanat der Krim
gemacht, das Chanat Astrachan erworben und seine Herr¬
schaft bereits beinahe bis an das schwarze Meer ausgedehnt.
Grosse Einbusse hat die Türkei erlitten, ganz Ungarn
und Siebenbürgen sind ihr bis 1699 verloren gegangen, dazu
aber noch im Jahre 1718 ein Theil von Serbien und die
kleine Walachei, Gebiete, in deren Besitz Oesterreich freilich
nur einige Jahrzehnde verblieben ist.
England und Schottland, seit dem Jahre 1603 unter
demselben Herrscherhause vereinigt, erscheinen jetzt (seit
1707) unter dem Namen Grossbritannien völlig zu einem
einheitlichen Königreiche verschmolzen.
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