Wirtschaftliche Kämpfe und Handelspolitik.
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der Kräfte, wurde als selbstverständlich hingenommen. Man empfand
in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts nur die Härten und Übertrei-
bungen, die Auswüchse des Merkantilsystems: die Korruption, den
Schmuggel, die Unvollkommenheit der Kontrolle; vor allem aber erschien
im wirtschaftlichen Leben der Staat als eine unerträgliche Zwangsanstalt,
aus der man sich retten müsse.
1.
Freihandelstheorien.
1. Den Phyfiokraten in Frankreich erschienen die bestehenden
wirtschaftlichen Einrichtungen als künstliche und verkehrte Abweichungen
von der Naturordnung, die sie wiederherstellen wollten. Sie bekämpften
die Überschätzung der Industrie und des auswärtigen Handels. Quesnay
behauptete, allein die Landwirtschast sei produktiv; der Ackerbau könne
dreimal soviel Ertrag liesern; aber er müsse von allen unnatürlichen
Fesseln befreit werden, von den Frohnden, den ungerechten Steuern,
den Hemmungen des Getreidehandels. — Gournay verlangte die Durch-
führung der „Naturgesetze"; sein Programm war: „laissez faire,
laissez passer", „Gebt die Arbeit srei, gebt den Absatz frei!" er
bekämpfte jedes Monopol, jede Sonderinteressen. Dem alten Frankreich
könne nur geHolsen werden durch Besreiung der Arbeit, des Handels
und Wandels in Stadt und Land von aller Unnatur.
2. 1776 erschien das Werk des englischen Volkswirtschastslehrers
Adam Smith: „Inquiry into the nature and causes of the wealth
of nations"; die Wirkung war eine ungeheure. Hier wird ein völlig
individualistischer Standpunkt vertreten, die Einwirkungen des Staates
aus das Wirtschaftsleben ausgeschaltet; der Staat habe weiter nichts
zu tun, als die persönliche Freiheit und das Eigentum zu gewähr-
leisten. Alle Maßnahmen des Merkantilismus erscheinen Smith durch
die Klassenherrschaft der Interessenten erschlichen: die Schutzzölle, Aus-
suhr- und Einsuhrverbote, das Kolonialsystem, die Monopole; er
gebraucht harte Ausdrücke gegen die Lenker der Staaten, die listigen
und verschlagenen Tiere, welche die natürliche Ordnung gestört hätten.
Smith fordert völlig freie wirtschaftliche Bewegung und freie
Konkurrenz. Er erklärt, die Einzelinteressen kämen von selbst zur
Harmonie; das Wirtschaftsleben gehe wie ein Uhrwerk; automatisch
regele sich alles; es komme nur daraus an, die salschen Eingriffe der
1) Der Name bedeutet, daß sie die „Herrschaft der Natur" herbei¬
führen wollen.
Wolf, Angewandte Geschichte. 11