Preußens Lasten nach dem Tilsiter Frieden und tiefe Noth. 37g
Geschickes für die Zukunft durch eine innere Erhebung wieder würdig zu
machen, — und so ist das Unglück von Jena und Tilsit, als der
Quell der preußischen Wiedergeburt, unter Gottes Beistand
ein Segen für Preußen geworden.
Die Lage des Staates nach dem Tilsiter Frieden. Zunächst freilich
stand es sehr schlimm um das Vaterland nach jenen unheilvollen Tagen:
nicht nur war dasselbe um die Hälfte verkleinert, und ein Theil gerade seiner
treuesten und ergebensten Söhne losgerissen und fremdem Joche unterwor¬
fen, — auch diejenigen, welche unter dem Seepter der Hohenzollern zurück¬
geblieben waren, sahen die Lebenskraft gelähmt und fast keine Möglichkeit,
auch nur ein kümmerliches Dasein zu fristen: so schwer lasteten auf dem Lande
die harten Bedingungen, welche zur Befriedigung des herzlosen Ueberwinders
noch zu erfüllen waren. Napoleon's Haß gegen Preußen war mit dem Til¬
siter Frieden nicht erloschen: er betrachtete diesen nur als eine Art Waffen¬
stillstand, welcher die preußische Monarchie seiner ferneren Willkür überlasse,
sobald erst der geeignete Augenblick zu ihrer völligen Vernichtung gekommen
sei. Durch einen besonderen Vertrag über die ^"Lsührung oer einzelnen
Friedensöedingnngen hatte er sich die Mittel geschaffen, um unter dem Scheine
und Schutze des Friedens den Krieg gegen das wehrlose Land fortzusetzen.
In diesem Vertrage hatte er zwar zugesagt, daß die Länder im Osten der
Weichsel und Oder bis zum 5. September, die Marken und Schlesien bis
zum 1. October, das übrige Land bis zur Elbe am 1. November von den
französischen Heeren geräumt werden sollten, aber nur unter Bedingun»
gen, deren Erfüllung für das erschöpfte Preußen an die Un¬
möglichkeit grenzte. Es sollte nämlich vorher die ganze ungeheuere Summe
von 140 Millionen Kriegskosten gezahlt, inzwischen aber die französischen
Truppen bis zur -Räumung des Landes aus preußischen Magazinen ernährt
werden. Vergeblich suchte der König durch die Sendung seines Bruders, des
Prinzen Wilhelm, nach Paris eine Erleichterung in der Abzahlung zu er¬
langen, derselbe vermochte Nichts durchzusetzen, vielmehr kamen immer neue
Forderungen zum Vorscheine, während drei französische Armeecorps von
150,000 Mann unter drei Marschällen auf dem unglücklichen Lande lasteten.
Kaiser Alexander erlangte von Napoleon endlich bei einer Zusammenkunft
in Erfurt die Ermäßigung der Forderungen um 20 Millionen, doch sollten
bis zur völligen Bezahlung dieser Summe die drei Festungen Stettin, Küstnrt
und Glogau in den Händen des Feindes bleiben und die Besatzung von 10,000
Mann von der preußischen Regierung ernährt werden. Die französischen
Behörden zeigten in allen Verhandlungen über die Vollziehung des Friedens
den höchsten Grad von Härte, kaltem Liebemuthe, Rücksichtslosigkeit und
Willkür; jede Provinz wurde durch den darin befehligenden Marschall, jede
Stadt durch die Anmaßung und Geldgier eines französischen Commandanten
gepeinigt. Dabei waren die furchtbaren Folgen des verheerenden Krieges
noch überall sichtbar, alle Kräfte des Landes, besonders in Preußen, erschöpft,
der Viehstand zerstört, viele Dörfer und Städte abgebrannt, viele taufend
Familien ins Elend getrieben, so daß in einem einzigen Orte fünfhundert
Kinder armer verschollener Aeltern aus öffentliche Kosten ernährt werden
mußten.