Vorrede zur ersten Auflage.
Es ist eine eigenthümliche und fast unerklärliche Thatsache, wie wenig
Verbreiter in unserem preußischen Vaterlande die Bekanntschaft mit der
preußischen Geschichte ist. In weiten Kreisen der sogenannten Gebildeten
wird man verhältnißmäßig Wenige finden, die über Friedrich den Großen
hinaus einige geordnete Kenntnisse von Preußens früherer Entwickelung
besitzen, die von den Thaten des großen Kurfürsten viel mehr, als die
Schlacht von Fehrbellin, und aus Georg Wilhelrn's Zeit etwa noch die
bedenkliche Wirksamkeit des Grasen Schwarzenberg kennen. Ja selbst in
Bezug aus die Zeiten seit Friedrich dem Großen ist bei Vielen nur ein
lückenhaftes Wissen, etwa von des Königs Kriegsthaten und von einigen
Anekdoten zu finden, in Bezug auf die innere Landesgeschichte dagegen
kaum die allerdürftigste Kenntniß. Alltäglich ist die leidige Beobachtung
zu machen, daß Leute, die in der Geschichte Griechenlands und Roms,
sowie unter den Königen von Frankreich und England ziemlich sicher Be-
scheid wissen, dagegen sehr leicht in Verlegenheit gerathen, wenn ihnen
auch nur eine annähernd gleiche Sicherheit in Bezug auf die brandenbur«
gisch-preußische Geschichte zugemuthet wird.
Diese Erscheinung steht wohl theilweise mit einem gewissen Mangel
in der früheren Einrichtung des Geschichtsunterrichtes in unseren Schulen
im Zusammenhange. Die Zeit liegt noch nicht weiter hinter uns, wo es
etwas Ungewöhnliches war, die vaterländische Geschichte in unseren Lehr¬
anstalten anders als beiläufig im Zusammenhange der allgemeinen Ge¬
schichte behandelt zu sehen. Ein näheres Eingehen auf dieselbe fand erst
bei der Periode statt, wo Preußen durch Friedrich den Großen einen be¬
stimmenden Einfluß auf die Weltbegebenheiten gewinnt, wogegen die vor¬
bereitende Entwickelung des Vaterlandes, sowie das innere Staatsleben
fast ganz unbeachtet blieben. So konnte es geschehen, daß selbst Jüng¬
linge, die im Uebrigen mit guten Geschichtskenntnissen auf die Universität
kamen, doch den der preußischen Geschichte eine zusammenhängende und
gründliche Kenntniß nicht besaßen. Ob sie dieselbe später etwa noch er»
warben, hing mehr oder weniger von Zufälligkeiten ab.