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9. Das Gottesgericht in Rußland 1812.
1. Trotz des Tilsit er Freundschaftsbundes hatte Napoleon
Alexander I. durch die Vertreibung des Herzogs von Oldenburg
verletzt, der mit dem Zarenhause verwandt war. Auch erwies
sich die Kontinentalsperre für Rußlaud unerträglich. Das fast
nur ackerbauende Volk konnte die englischen Waren, an die es seit
den Zeiten der Königin Elisabeth gewöhnt war, nicht entbehren.
Daher erleichterte Alexander die englische Einfuhr. Dies gab
dem Despoten den Vorwand zu eiuem Kriege. Er wollte Ruß-
land bezwingen, um von dort aus früher oder später gegeu
Indien zu ziehen.
Im Triumphe durchzog sein stolzes Heer, 600000 Mann
mit 180000 Pferden, Frankreich und Deutschland. Einen ganzen
Monat dauerte der Durchmarsch von Truppen aller Waffen-
gattungen, fast aller Völker Europas. Hoch und nieder, arm
und reich eilte herbei, den Gewaltigen zu sehen, die neue Gottes-
geißel. In Dresden strömten die deutschen Fürsten huldigend
zusammen. Nochmals sonnte er sich hier im Glänze seiner Macht,
die mehr und mehr die Welt umspannte.
2. Am Johannistage frühmorgens ging er mit dem Haupt-
Heer zwischen Grodno und Kauen (Kowno) über den Niemen.
„Des Schicksals Wille muß erfüllt werden!" rief er seinen
Kriegern zu. Der russische Feldherr Barclay, ein Livländer,
der inmitten seiner Soldaten zunächst dem Feinde am Biwacht-
seuer zu lagern und sich zur Schlacht zu schmücken pflegte wie
ein Spartaner, zog sich in kluger Berechnung zurück. Schon
vorher verließen die Einwohner ihre Dörfer und Städte; die
Vorräte reichten kaum für die Rufseu. So geriet die „große
Armee" in immer schlimmere Not. Die Wagen voll Lebensmittel
und die Herden von Schlachtvieh, die ihr nachgeschickt wurden,
vermochten die rasch vorrückenden Marschsäulen nicht einzuholen.
Raub und Plünderung ward allgemein; der Selbstmord nahm
überhand. Am meisten litten die Rheinbündischen. 22000 Bayern
hatten die Oder überschritten, 11000 erreichten die Düna.
Dennoch drang Napoleon unaufhaltsam vorwärts. Nur
zweimal hielten die Russen ernsthaft stand: am Eingang ins
eigentliche Rußland bei Smolensk und dann bei Borodino
an der Moskwa, an der Straße nach Moskau; nach zähem Wider-
stand entschlüpften sie über Nacht.
3. Endlich hielt der Kaiser auf einem Hügel vor Moskau.
Da lag die halbasiatische Stadt mit ihren Kirchen, geschmückt
durch Büudel goldstrahlender Türme, mit den Prunkpalästen
der Bojaren und der ragenden Kaiserburg auf felsiger Höhe,