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kostbarer Ring weggekommen, den er von feinem Busenfreunde, dem Bischof 
Gerhard von Meißen, zum Geschenk erhalten hatte. Nun hatte der 
Bischof einen alten, wegen seiner Rechtschaffenheit allgemein geachteten 
Kammerdiener und einen etwas jüugeren Leibjäger. Letzterer trng aber 
schweren Groll gegen ersteren im Herzen, weil er glaubte, daß jener ihm 
hinderlich sei, wie er es wünsche, in der Gunst seines Herrn zu steigen. 
Derselbe hatte den Raben verschiedene Worte gelehrt, unter anderen auch 
den Spruch: „Hans Dieb!" Als nun der Bischof, nachdem er den Dieb- 
stahl erfahren, außer sich vor Zorn alle seine Leute streng befragte, um 
den Dieb herauszubekommen, da schrie der Rabe auf einmal: „Hans 
Dieb! Hans Dieb!" Unglücklicherweise hieß oer alte Kammerdiener 
Johannes, und der Bischof hielt den Spruch des Vogels gerade in diesem 
Augenblicke für ein Gottesurteil; trotz alles Leugnens und Beteuerns 
seiner Unschuld wurde der Greis ergriffen, ins Gefängnis geworfen, vor 
das bischöfliche Gericht gestellt und lediglich auf deu durch das Vogel- 
geschrei erregten Verdacht hin verurteilt und hingerichtet. Einige Zeit 
nachher trng es sich zu, daß bei einem heftigen Sturme das Rest des 
Rabeu vom Turme herabstürzte; darin fand sich mancherlei güldenes und 
silbernes Kleinod und auch des Bischofs Ring, um den der fromme 
Kammerdiener unschuldig hingerichtet worden war. Das traf des 
Bischofs hartes Herz wie ein Blitzstrahl, und es ergriff ihn eine bittere 
Reue wegen seines Jähzorns, der ihn zu dem ungerechten Urteile veran- 
laßt hatte. Er legte sein bisheriges Familienwappen ab und nahm ein 
neues an, d. h. er setzte in das Schild einen Raben, der einen Ring im 
Schnabel trug, und oben aus der Krone hoben sich zwei Arme und 
Hände, deren Finger einen Ring faßten. Dieses Wappen ließ der 
Bischof überall anbringen, damit es ihn stets an seine Unthat erinnern 
möge und zu steter Buße mahne, innen und außen am bischöflichen Palast, 
im Dome, an den Mauern, in den Zimmern, auf deu Gängen, auch an 
vielen Häusern der Stadt. Dasselbe Wappen und über demselben das 
Bild des hingerichteten Kammerdieners mit aufgehobenen Händen ohne 
Kopf erblickt man auch an seinem messingenen Grabdenkmale, welches im 
Dome zu Merseburg errichtet worden ist. 
Zum ewigen Andenken an diese Begebenheit wird noch heute ein 
Rabe in einem stattlichen Käfig auf dem äußeru Schloßhofe zu Merse- 
bürg gehalten. Der Wärter desselben genießt eine Pension von 12 Scheffeln 
Korn und 12 Thalern, muß aber, wenn der Rabe stirbt, einen andern 
anschaffen. Marie Schäling. 
5* Die Krebse zu Köln. 
Die Stadt Köln war im Mittelalter eine der bedeutendsten Handels- 
städte, namentlich blühte das Tuchmacherhandwerk daselbst, und viele 
Kölner Kaufleute ließen ihre Schiffe auf der See gehen, wie die
	        
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