112. Die Pariser Bluthochzeit. Heinrich IV. von Frankreich. 245
fliehen, fallen aber ihren Feinden in die Hände. Durch die ganze Stadt
hört man das Gebrüll der Mörder, das Angstgeschrei der Verfolgten, das
Winseln der Sterbenden. Kein Stand, kein Alter noch Geschlecht findet
Gnade; Barmherzigkeit gegen Ketzer gilt selbst für Ketzerei. Von den
Straßen dringt man in die Häuser, um abzuschlachten, was sich etwa ver¬
steckt hat; Wirte erstechen ihre Gäste, Dienstboten ihre reformierten Herr¬
schaften. Endlich steigt die Sonne empor und beleuchtet die Greuel der
Nacht; ihre Strahlen fallen auf Blutlachen, verstümmelte Tote, noch
zuckende Sterbende. Hunderte von Leichen wurden mit eisernen Haken in
die Seine geschleppt.
4. Verhalten des Königs. Urteil des Auslandes. Der König
selbst, welcher anfangs so heftig gezittert hatte, war nachher in eine wahre
Mordwut geraten. Er schoß selber ans dem Fenster auf feine fliehenden refor¬
mierten Unterthanen. Seinen Schwager, den neuvermählten Heinrich von
Navarra, und den Prinzen Conds ließ er vor sich führen und schrie ihnen
zu: „Messe oder Tod!" In ihrer Angst versprachen die jungen Fürsten
katholisch zu werden, widerriefen aber, nachdem der Sturm tiertobt war.
Drei Tage währte das Morden in Paris; dann durchzog Karl mit seiner
Mutter wie im Triumph die leichenerfüllten Straßen. Auch Colignys
Leichnam besah er, den der Pöbel an einem Galgen aufgehängt hatte. Als
einige Höflinge sich von dem Gerüche der Verwesung abwandten, trat
Karl noch näher hinzu, indem er sagte: „Ein toter Feind riecht immer
gut!" Dieses Mordfest von Paris nennt man, weil es nur wenige Tage
nach der Hochzeit Heinrichs von Navarra stattfand, die Pariser Blut-
tz ochzeit, oder nach dem Kalenderheiligen des 24. August die Bartholo¬
mäusnacht. Die Pariser Greuel wiederholten sich in den Provinzen;
über 30 000 Hugenotten verloren in Frankreich ihr Leben. Die Kunde
von dem Geschehenen erfüllte das Ausland mit Abscheu. Philipp II.
allerdings, der finstere Protestantenhasser auf dem spanischen Throne,
jubelte, und der Papst Gregor XIII. ließ ein „Herr Gott, dich loben wir"
anstimmen und eine Denkmünze zur Verherrlichung des fluchwürdigen
Verbrechens schlagen. — Ihren Zweck erreichten aber die Feinde des
Evangeliums doch nicht; die Hugenotten, deren viele dem Tode entronnen
waren, schüttelten bald die erste Betäubung ab und erkämpften sich aufs
neue Duldung und Sicherheit.
5. Ende Karls IX. Der gekrönte Mörder, Karl IX., hatte fortan
keine frohe Stunde mehr; die Schreckensbilder der Greuelnacht verfolgten
ihn auch in seinen Träumen. Er magerte sichtlich ab und schlich gesenkten
Hauptes einher, weil er niemandem mehr frei ins Angesicht zu schauen ver¬
mochte. Nachdem er den Fluch zwei Jahre mit sich herumgetragen hatte,
starb er, noch nicht 24 Jahre alt. Seine verworfene Mutter lebte noch
ziemlich lange, endete aber endlich auch unter den größten Gewissensqualen.
6. König Heinrich IT. Sieben Jahre nach der Bartholomäus¬
nacht erbte Heinrich von Navarra die Krone Frankreichs. Er nannte
sich sofort Heinrich IV.; aber so freudig ihm die Hugenotten huldigten,
so fest waren die Katholiken entschlossen, den Ketzer niemals anzuerkennen.
Fünf Jahre mußte Heinrich um sein gutes Recht kämpfen, und er that es