Bouillon — zeigen weitausgedehnte Strecken vcn Heideland, Ein¬
öden und Steppen. Ihre Wälder sind mit Hirschen, Ebern und Wölfen
übermäßig bevölkert. Sieht der Reisende Felder, die mit Sorg¬
falt angebaut oder mit reicher Ernte bedeckt sind, so darf er sich
sagen, daß sie Mönchen gehören. Andere Felder, die dicht daneben
liegen, sind ärmlich und fast erschöpft, obgleich der Boden hier und
dort derselbe ist. Sie sind eben Eigentum des pfründenbeziehenden
Abtes.“
Natürlich taten jene Herren, die für ihren Boden nichts taten,
auch nichts für ihre Leute. Der Verwalter schrieb wohl von Zeit zu
Zeit, besonders wenn der Zins nicht entrichtet wurde, über das Elend
der Pächter an seinen Herrn. Aber der Herr konnte sich das Elend
gar nicht vorstellen; der Arme wohnte zu fern von ihm und war
ihm allzu fremd. Er las den Brief des Verwalters, sagte sich, daß
er dieses Jahr kein Einkommen haben werde, und stürzte sich von
neuem in den Strudel des vornehmen Lebens, ohne darüber nach¬
zudenken, wie er dem Bauern helfen könne. Man darf sich daher
nicht wundern, wenn die Bauern dem vornehmen Eigentümer grollten,
ihn beneideten und haßten.
Ihre Abneigung gegen den Herrn wurde noch größer, wenn der¬
selbe gegen ein Jahrgeld die Rechte auf seine Güter verpachtete. Das
geschah sehr häufig. Gab doch der König das Beispiel, indem er an die
Generalpächter alljährlich gegen eine Summe Geldes das Recht über¬
ließ, indirekte Steuern zu erheben. Durch die Habgier der Guts¬
pächter wurde der Bauer immer aufs furchtbarste ausgepreßt; der
Pächter wollte ja soviel, wie nur irgend möglich, verdienen.
Vielleicht war mancher der Herren geneigt, den Mißbrauch ab¬
zustellen, den auf solche Weise der Pächter mit seinem Namen trieb.
Aber die meisten waren dazu nicht imstande, da sie infolge ihrer
Verschwendung und ihres Leichtsinns oft in Verlegenheit waren, und
das bare Geld, welches die Pächter an sie ablieferten, nicht entbehren
konnten. Trotz ihres großen Grundbesitzes waren sie schon seit
200 Jahren gezwungen, Geldheiraten einzugehen und sich königliche
Gnadengeldier auszubitten, um aus ihrer Geldverlegenheit heraus¬
zukommen.
Kein Wunder, wenn sie versuchten, alles zu Geld zu machen,
was sie hatten, ihre Besitzungen und ihre Vorrechte. So wurden
auch die Gerichtsstellen, über welche sie zu verfügen hatten, meisten¬
teils verkauft, und natürlich sah der Adlige nur darauf, möglichst
viel Geld bei dem Handel zu erlangen; ob die Käufer ihr Amt ver¬
walten konnten, war ihm gleichgültig. Ging das verkaufte Amt in
andere Hände über, so bezog der Herr noch einen Teil — 1/100, x/m
oder 710 — des Verkaufspreises. Auch verkaufte er die Anwart¬
schaft auf das Amt. Ja, er schuf Ämter und Anwartschaften, nur um
sie verkaufen zu können. Zuweilen übertrug ein Herr — vielleicht
konnte er keinen Käufer finden — das Richteramt einem seiner Unter¬
tanen, oder er stellte einen Winkelschreiber aus einem benachbarten
Städtchen an mit einem Gehalt, von dem der Mann kaum eine Woche
leben konnte. Dann war der Richter genötigt, sich an dem Bauern
Stoll, Geschichtliches Lesebuch II. Teil