Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Vater das Reich erworben, beruhigt und geordnet hatte. Seine 
Schwäche stach um so greller hervor, je gewaltiger sich die Kraft 
seines Vaters gezeigt hatte. Unter einem solchen Fürsten wurden 
die alten Feinde des Reiches wieder aufgeregt. Auch im Innern 
erhob sich wieder der alte Geist zügelloser Unordnung und Rohheit. 
Der schwache Kaiser war der Regierung eines so großen 
und dabei so unruhigen Reiches bald überdrüssig. Schon im 
vierten Jahre seiner Regierung, im Jahre 817, nahm er eine 
Theilung desselben unter seine drei Söhne Lothar, Pipin und 
Ludwig vor. Er selbst wollte nur die Oberhoheitsrechte be¬ 
halten. Diese Theilung aber ward die Ursache eines Unglückes, 
das nicht nur über sein Hans, sondern auch über das ganze 
Reich einbrach. Denn bei dieser Theilung hatte er seinen ältesten 
Sohn Lothar außerordentlich begünstiget. Ihn hatte er zu seinem 
Mitregenten und Theilnehmer an der Kaiserwürde ernannt, mit 
eigener Hand ihm die Krone aufgesetzt und so die Eifersucht der 
beiden übrigen Brüder angeregt. Der Funken dieser Eifersucht 
wäre gewiß bald in die helle Flamme eines Bruderkrieges aus¬ 
gebrochen, hätte nicht ein neuer Vorfall die Söhne gemeinschaft¬ 
lich gegen den Vater in die Waffen gerufen. 
Ludwig vermählte sich nach dem Tode seiner ersten Gemahlin 
Irmengard mit der Judith, einer Tochter des bayerischen 
Grafen Wels, und erhielt noch einen vierten Sohn, welcher 
Karl der Kahle genannt wurde. Der Vater wollte seinem 
kleinen Lieblinge, für welchen sich die Mutter so dringend ver¬ 
wandte, auch gern ein Königreich geben und nahm deshalb eine 
neue Theilung vor. Allein diese Theilung brachte viele Leiden 
und Widerwärtigkeiten, wie über seine Familie, so über das 
ganze Reich. Die älteren Söhne waren durchaus nicht geneigt, 
etwas von dem abzutreten, was sie schon als das Ihrige an¬ 
sahen. Sie empörten sich und wiegelten das Volk gegen ihren 
Vater ans. Dann ergriffen sie die Waffen und rückten mit 
Heeresmacht von drei Seiten gegen ihn an. ES war ihnen ein 
Leichtes, den Vater gefangen zu nehmen; denn seine bereits
	        
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