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Ebenso grausame Verfolgungen trafen die Christen auch unter
mehreren der folgenden römischen Kaiser. Unter Marcus Aurelius
starb der ehrwürdige greise Polykarpus, ein Schüler des Apostels
Johannes, den Feuertod. Lange Jahre hatte er als treuer Hirt der
Gemeinde Smyrna in Kleinasien vorgestanden. Da brach eine Ver¬
folgung aus, und Polykarpus wurde vor den Richterstuhl des römi¬
schen Statthalters geführt. „Fluche Christo, und ich gebe dich los,"
sprach der Statthalter. Aber der Greis erwiderte tiefbewegt:
„Sechsundachtzig Jahre habe ich ihm gedienet und er hat mir nie
etwas zu Leide gethan. Wie sollte ich meinem Herrn fluchen, der
mich erlöst hat!" — „Ich habe wilde Thiere!" drohte der Statt¬
halter. „Laß sie kommen!" antwortete Polykarpus. „Wenn du dich
vor den Thieren nicht scheuest", hieß es weiter, „so sollst du in's
Feuer geworfen werden." — „Du drohest mir mit einem Feuer",
entgegnete der Glaubensheld, „das nur einen Augenblick brennet;
aber du weißt nichts von dem ewigen Feuer, das den Gottlosen auf¬
behalten ist. Doch, was verziehest du? Thue was dir gefällt!"
Und sein Angesicht leuchtete bei diesen Worten in himmlischer Freude.
Die Menge des heidnischen Volkes aber, das den Richterstuhl um¬
ringte, tobte und schrie: „Auf, in's Feuer mit dem Christen, der
viele gelehrt hat, nicht mehr unseren Göttern zu opfern!" Von
allen Seiten wurde Holz herzugetragen, und rasch war der Scheiter¬
haufen aufgethürmt. Mit freudigem Dankgebete zu Gott, daß er
für seinen Glauben sterben dürfe, bestieg der Greis den Holzstoß.
Aber es war, als wolle das Feuer den Gottesmann nicht antasten.
Die Flamme wölbte sich um ihn gleich einer Wand, gleich einem
Segel, das vom Winde geschwellt ist, und sein Leib war unberührt
mitten inne, wie Gold oder Silber, das im Schmelzofen geläutert
wird. Da stieg endlich der Henkersknecht hinauf und durchbohrte ihn
mit dem Mordschwert.
Auch schwache Frauen und Knaben litten muthig für ihren
Glauben die äußersten Martern. Bei einer Verfolgung, die im süd¬
lichen Frankreich wüthete, waren schon der neunzigjährige Bischof der
Gemeinde und viele andere Christen qualvoll hingerichtet worden.
Da ergriff man eine arme Sclavin — Blandina ist ihr Name
— und suchte sie durch die gräßlichsten Folterqualen zum Abfalle
von ihrem Glauben zu bewegen. Die Christen selbst trauten ihr,
da sie von schwächlichem Körper war, nicht Kraft genug zu, im
Kampfe auszuharren. Aber sie blieb standhaft, ob auch ihre Peiniger
sie vom Morgen bis zum Abend mit allen Arten von Martern so
quälten, daß ihr ganzer Leib nur noch eine große Wunde war. Unter
den unsäglichen Schmerzen, die sie erduldete, wiederholte sie immer
nur das Bekenntniß: „Ich bin eine Christin, und unter uns Christen
wird nichts Böses begangen." Endlich kam der zu ihrer Hinrichtung