Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen

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Dolmetscher wandern sie von Niederlage zu Niederlage; freund- 
lich heisst man einander willkommen, bier in deutscher, dort in 
französischer, englischer oder italienischer Sprache. Jener Jude 
mit dem langen Kaftan und der braunen Pelzmütze ist aus Polen, 
er hat schon für mehr als 100000 Thaler Waren gekauft, 
und noch immer kann er nicht abreisen, noch immer wartet er 
auf neu ankommende Waren. Vergnügt reibt dieser Pabrikant 
die Hunde; fast geleert ist seine Niederlage, und reiche Bestellungen 
sind für die nächste Messe bei ihm gemacht worden. Werfen 
wir einen Blick in jene grossen Bansierbäuser, weleb ein Ge- 
drũnge herrscht dort! Wie staunen wir über die ungeheueren Geld- 
massen, welche da jeden Tag durch die Hände des Kassierers gehen! 
Und nun der Kleinhandel! Sechshundert Buden bedecken in 
langen Reihen den scbönen grossen Markt. Glas- und Steingut, 
Strob- und Korbwaren, Dosen und Blechwaren, Parbkästehen, 
Bleistifte, Pedern, musikalische Instrumente, gebirgische Spitzen 
und Nähwaren, Nürnberger Spielsachen, Bürsten, Handschuhe, 
tausend andere Artikel liegen, stehen, hängen hier schön geordnet 
zum Verkaufe. Dichte Menschenmassen wogen vom NMarste nach 
dem Augustusplatze zwischen der Post und dem ehemaligen 
Grimmaischen Thore. Line ganze Bretterstadt hat sich hier in 
wenigen Tagen auf beiden Seiten der Strasse erboben. Lier ist 
der Hauptsitz des Kleinhandels. Längs des Augusteums stehen 
die Buden der Juden, dahinter Glass und Steingutsbuden und 
die Kurzwarengeschäfte. Die verführerischen Schilder mit ,Stück 
für Stück zehn Pfennige“ entlocken vielen das Geld. Ein Haupt- 
handelsartikel auf diesem Platze sind aber die Schubwaren. Lange 
Budenreihen und nichts als Schube und Stiefel, gross und klein, 
alle blank und schön, alle dauerbaft und weich! 
Doch wir verlassen diesen Platz und gehen nach dem Ross- 
platze „unter die Buden“. Es ist Mess-Sonntag. Woelch unauf- 
hörlicher Lärm umtobt uns! In langen Budenreihen sind hier 
die Sehenswürdigkeiten und - unwürdigkeiten aufgestellt. Mena— 
gerien mit wilden Bestien lassen uns die Töne der Wüste und 
Irwãlder hören; Panoramen versetzen uns wie mit einem Zauber— 
schlage in die Hauptstädte der Erde, in die schönsten Gebirgs- 
gegenden, an die Wasserfälle und vor Prachtgebäude, ohne dass 
wir Leipzigs Thore verlassen haben; Wachsfiguren, beweglich 
und unbeweglich, führen uns Darstellungen aus der heiligen und 
Weltgeschichte vor; daneben stehen Buden, in denen Taschenspieler 
ihre Kunststücke, Athleten ihre Stärke und Geschicklichkeit zeigen; 
endlich noch Karussells, Schenk- und andere Buden. Überall 
wird gespielt, gesungen, von Musikbanden musiziert, von Aus- 
rufern an allen Schaubuden mit Löwenstimmen, selbst durch das 
Sprachrohbr, eingeladen, in den Tierbuden geläutet und dazwischen 
von Löwen, Hyänen, Tigern, Bären gebrüllt, von der wogenden 
Menge gelärmt, gelacht, geschrien, gezankt.
	        
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