Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

Neueste Zeit. (1830-1880). 
453 
Ein Fluchen, Erbrechen und Beten 
Schallt aus der Kajüte heraus; 
Ich halte mich fest am Mastbaum 
Und wünsche: wär' ich zu Haus. 
H. Heine. 
Frieden. 
Hoch am Himmel stand die Sonne, 
Von weißen Molken umwogt, 
Das Meer war still. 
Und sinnend lagich amSteuerdesSchisfes, 
Träumerisch sinnend und halb im Wachen 
Und halb im Schlummer schaute ich 
Den Heiland der Welt. ^Christus, 
Im wallenden weißen Gewände 
Wandelt er riesengroß 
Über Land und Meer; 
Es ragte sein Haupt in den Himmel, 
Die Hände streckie er segnend 
Über Land und Meer; 
Und als ein Herz in der Brust 
Trug er die Sonne, 
Die rote, flammende Sonne, 
Und das rote, flammende Sonnenherz 
Goß seine Gnadenstrahlen 
Und sein holdes, liebseliges Licht 
Erleuchtend und wärmend 
Über Land und Meer. 
Glockenklänge zogen feierlich 
Hin und her, zogen wie Schwäne, 
An Rosenbändern das gleitende Schiff, 
Und zogen es spielend ans grüne Ufer, 
Wo Menschen wohnen, in hochgetürmter, 
Ragender Stadt. 
O Friedenswunder! Wie still die Stadt! 
Es ruht das dumpfe Geräusch 
Der schwatzenden, schwülen Gewerbe, 
Und durch die reinen, hallenden Straßen 
Wandelten Menschen, weißgekleidete, 
Palmzweig-tragende, 
Ünd wo sich zwei begegneten, 
Sah'n sie sich an, verständnisinnig, 
Und schauernd, in Liebe und süßer 
Entsagung, 
Küßten sie sich auf die Stirne, 
Und schauten hinaus 
Nach des Heilands Sonnenherzen, 
Das freudig versöhnend sein rotes Blut 
Hinunterstrahlte, 
Ünd dreimalselig sprachen sie: 
Gelobt sei Jesus Christ! H. H^e. 
Die Grenadiere. 
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', 
Die waren in Rußland gefangen, 
Und als sie kamen ins deutsche Quartier, 
Sie ließen die Köpfe hangen. 
-»Da hörten sie beide die traurige Mär': 
Daß Frankreich verloren gegangen. 
Besiegt und zerschlagen das tapfere 
Heer, — 
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. 
Da weinten zusammen die Grenadier' 
Wohl ob der kläglichen Kunde. 
Der eine sprach: „Wie weh wird mir. 
Wie brennt meine alte Wunde!" 
Der and're sprach: „Das Lied ist aus. 
Auch ich möcht' mit dir sterben, 
Doch hab' ich Weib und Kind zu Haus, 
Die ohne mich verderben." 
„Was scheert mich Weib, was scheert 
mich Kind, 
Ich trage weit bess'res Verlangen; 
Laßt sie betteln gehn, wenn sie hungrig 
sind, — 
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! 
Gewähr' mir, Bruder, eine Bitt': 
Wenn ich jetzt sterben werde, 
So nimm meine Leiche nach Frankreich 
mit, 
Begrab' mich in Frankreichs Erde. 
Das Ehrenkreuz am roten Band 
Sollst du aufs Herz mir legen; 
Die Flinte gieb mir in die Hand 
Und gürt' mir um den Degen. 
So will ich liegen und horchen still. 
Wie eine Schildwacht, im Grabe, 
Bis einst ich höre Kanonengebrüll 
Und wiehernder Rosse Getrabe. 
Dann reitet mein Kaiser wohl über 
mein Grab, 
Viel Schwerter klirren und blitzen; 
Dann steig ich gewaffnet hervor aus 
dem Grab', — 
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen " 
H. Hnne.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.