Full text: [Teil 5, [Schülerband]] (Teil 5, [Schülerband])

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deutschen Nordseehäfen nach England und dem Ozeane steuernden 
Schiffe halten wir noch nicht erreicht. Die Bahn zwischen der schot¬ 
tischen Ostküste und Deutschlands Nordwestküste ist aber nur schwach 
befahren. Wir schienen allein in der unendlichen Flut zu schwimmen, 
über der ein wolkenloser Himmel sich wölbte, und wir genossen 
den Anblick der stillen, großen Unendlichkeit mit ahnungsvollem 
Schauer. 
Rot und feurig sank die Sonne in die stahlsarbene Flut. Kein 
Widerschein von Wolken breitete einen Rosenschimmer über die ganze 
See aus wie gestern. Das langgezogene Spiegelbild der Sonne lag 
zwischen uns und der Stelle, wo sie sank, als vielfach bewegter, 
schmaler Feuerstreifen von fast erkaltetem Lichte auf der metallisch 
glanzenden Wasserfläche. Die Dämmerung war lang und klar. All- 
nrählich blitzte ein Stern nach dem andern auf. Bald war der 
dunkle Himmel mit unzähligen kleinen und großen Funken besät, 
und die Milchstraße zog ihr schimmerndes Lichtband über die Kuppel 
des Riesendomes. Die mondlose Nacht zeigte den nordischen Sternen¬ 
himmel in seiner ganzen Pracht; wer den Sternenhimmel der süd¬ 
lichen Halbkugel gesehen hat, muß dem nördlichen den Vorzug geben. 
Eine klarere Sternennacht als die heutige läßt sich nicht denken. 
Der Jupiter vertritt gewissermaßen den Mond. Er wirft das Sonnen¬ 
licht fast so stark zurück wie die erste Mondsichel und zieht einen 
breiten, zitternden Strahl durch die Flut. Zugleich schießen zahlreiche 
Sternschnuppen, oft lange Feuerstreifen hinter sich dreinziehend, am 
Himmel hin und her. Zugleich glühen auch im Meere da, wo das 
Schiff es durchfurcht, Millionen leuchtender Funken, die es schein¬ 
bar aus seiner Tiefe heraufsendet; zugleich endlich entsprühen dem 
Schlote mit dem Rauche wirkliche, heiße Feuerfunken, deren röt¬ 
liches Licht fast unheimlich absticht gegen den phosphorblauen 
Schimmer des Meeresleuchtens und den klaren Eoldglanz der Sterne. 
Es ist eine Septembernacht voll südlicher Reize auf der sonst so 
wilden Nordsee. 
3. 
Hamburg, den 15. September 1879. 
Seegrün leuchtete die klare, leichtgewellte Flut, als ich heute 
morgen aufwachte, die rote Gardine vor dem Rundfenster über meinem 
Bette zurückschob und hinausblickte. Gerade vor uns stieg aus der
	        
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