Full text: Germanisches Sagen- und Märchenbuch

Parzival. 
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zog ihr ein kostbares Ringlein und eine goldene Spange ab. Zürnend 
erhob sich die Edle, erkannte aber schnell den kindlichen, unerfahrenen 
Sinn des Jünglings und trieb ihn mitleidig zur eiligen Flucht. Als 
nun Herzog Orilus, ihr Gemahl, kurz darauf heimkehrte, hörte er 
das Geschehene voller Zorn und zwang die schuldlose Jeschute, mit ihm der 
Spur des Kecken zu folgen, schwörend, ihn sogleich aufzuhängen. Allein 
zum Glück verfehlte er Parzival, der inzwischen wohlgemut und unbe¬ 
kümmert dahin ritt. Plötzlich sah er an einem Bache eine liebliche Jung¬ 
frau thränenfeuchten Angesichts sitzen, die das Haupt eines todten Ritters 
in ihrem Schoße hielt. Mitleidsvoll rief er: „Wer hat dir solches 
Leid angethan? Ich will des Toten Rächer werden!" „O ich Unselige 
habe ihn selbst in den Tod gesandt und will nun mit ihm auch sterben!" 
Gar bald sollte er erfahren, daß die Trauernde niemand anders als 
Sigune, der Tote Tschionatulander war. Einst hatte der Ritter einen 
wundersamen Bracken im Walde gefangen mit einem überaus prächtigen 
Halsband, auf dem allerlei liebliche Sprüche eingegraben waren. Der 
Dame seines Herzens brachte er das kostbare Geschenk, und freudig 
las diese die Sprüche; da riß sich plötzlich der Hund los, und unmutig 
schwur Sigune, ihr Ritter solle nicht eher wieder ihre Huld genießen, 
als bis er das kostbare Halsband zurück bringe. Nach vielen ruhm¬ 
reichen Kämpfen fand der tapfere Artusritter endlich den Bracken im 
Besitz des Herzogs Orilus und ließ ihm sogleich um diesen Preis 
Kampf entbieten. Weil jedoch der Herzog an einer Wunde noch darnieder 
lag, so schickte Jeschute, besorgt um das Leben ihres Herrn, den Bracken 
freiwillig an Sigune, und so schien der Streit geschlichtet. Zum Un¬ 
glück aber begegneten sich kurz darauf die beiden Helden im Walde; mit 
eingelegten Lanzen stürmten sie nach kurzem Wortwechsel aus einander 
ein und sanken beide aus dem Sattel, Orilus nur betäubt, Tschionatu¬ 
lander jedoch tot. Parzival tröstete die Jammernde so gut er vermochte, 
und versprach ihr Rache an Orilus. 
Darauf ritt er weiter und erfuhr, daß König Artus zu Nantes Hof 
halte, worauf er eilig auf diese Stadt losritt. Am Weichbild derselben fand 
er einen stolzen Ritter, vom Kopf bis zu den Füßen in brennend Rot 
gekleidet, rot auch sein gewaltiges Schlachtroß; es war Held Jther, ein 
gar naher Verwandter der Königin Ginevra. Staunend betrachtete Parzival 
den Ritter, der ihm einen Goldbecher reichte und befahl, diesen dem Könige 
Artus, als dessen Eigentum, zu überreichen und jenen nebst seiner ge¬ 
samten Tafelrunde in seinem Namen zum Zweikamps zu fordern. 
Als Parzival in die Stadt einritt, erregten sein Klepper und 
sein Narrengewand überall Spott- und Hohnreden, bis ihn endlich
	        
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