Full text: Germanisches Sagen- und Märchenbuch

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Göttersagen. 
Froh empfing sie der Riesenfürst, und bald faßen sie beim Hoch¬ 
zeitsmahl. Die Riesen schwelgten in Speise und Trank. Da aß Thor 
einen Ochsen, acht Lachse dazu, alles süße Geschleck, das für die Weiber 
bestimmt war, und trank drei Kufen Met dazu. Staunend hub Thrym 
an: „Nie sah ich Bräute so gierig schlingen, nie soviel Met ein Mädchen 
trinken." Doch die Magd, die der Braut zur Seite saß, stand schnell 
bereit dem Riesen Rede: „Acht Nächte lang hat Freya nichts genossen, 
so sehr sehnte sie sich nach Riesenheim." Knßlüstern lüftete dann der 
Riese den Schleier der Braut, doch weit fuhr er vor Schreck zurück: 
„Wie furchtbar flammen der Freya die Augen! Mich dünkt, es brenne 
ihr Blick wie Glut." Und wieder sprach die Magd: „Acht Nächte kam 
kein Schlaf in ihr Auge, so sehr sehnte sie sich nach dir." Jetzt ließ 
Thrym den Hammer holen und ihn der Braut in den Schoß legen, 
auf daß sie zusammengegeben würden nach ehelicher Sitte. Da scholl 
grimmes Lachen unter dem Schleier hervor: Thor lachte das Herz im 
Leibe, als er seinen Miölnir wiedersah. Der Schleier sank; in furcht¬ 
barem Asenzorn erhob sich der Gott und zerschmetterte mit gewaltigen 
Schlägen Thrym und das ganze Riesengeschlecht. So holte Thor 
seinen Hammer heim. 
Außer dem Hammer besitzt Thor noch Eisenhandschuh, die seine 
Hand decken, wenn er den Schaft des Hammers umspannt und den 
Blitz schleudert; ferner einen Stärkegürtel, der seine Asenkraft ver¬ 
doppelt. 
Gar viele Sagen gingen von Thors Kämpfen gegen die Riesen; 
weite Wanderungen unternahm er von Asgard, uin die übermütigen 
Thursen zu züchtigen, und stets blieb er Sieger. Nur einmal war seine 
Fahrt vergeblich, als er nach Utgard ging. 
Thor fuhr einst aus auf seinem Wagen mit den Böcken und mit 
ihm Loki. Da kamen sie am Abend zu einem Bauer und fanden dort 
Herberge. Zum Nachtmahl schlachtete Thor seine Böcke und kochte sie 
im Kessel, dann setzten sich die beiden Götter mit dem Bauer, seinem 
Weibe und seinen Kindern zu Tische. Neben den Tisch aber legte Thor 
die Bocksfelle und gebot allen Tischgenossen, die Knochen aus die Felle 
zu werfen. Alle thaten dies, nur Thialfi, des Bauern Sohn, zer¬ 
schlug auf Lokis heimtückischen Rat mit seinem Messer das Schenkel¬ 
bein des einen Bockes, um zum Mark zu kommen. Thor blieb die 
Nacht da, und als er am andern Morgen erwachte, nahm er seinen 
Hammer Miölnir und erhob ihn, die Felle samt den Knochen zu weihen. 
Da standen die Böcke auf und waren lebendig, wie tags zuvor, doch 
dem einen lahmte das Hinterbein. Als Thor das bemerkte, sagte er,
	        
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