Full text: [Bd. 5 = Kl. 5, 6. Schulj, [Schülerband]] (Bd. 5 = Kl. 5, 6. Schulj, [Schülerband])

169. Eine Deldenschar. Von Julius Reuper. 
it der Ostküste der ins Gelbe Meer vorspringenden Schantunghalb- 
H insel entlang dampfte am 23. Juli 1896 das deutsche Kanonen¬ 
boot „Iltis" mit einem südlichen Kurse dem Hafen von Kiautschau zu. 
Unter dem Kommando des Kapitänleutnants Braun stehend, hatte 
es bei stürmischer See mit Wind und Wetter hart zu kämpfen, und je 
weiter der Tag vorrückte, desto bewegter wurde die See. Um zehn 
Uhr am Abend mußten die Segel geborgen werden, und der Gang 
der Maschine wurde verlangsamt, denn die Leuchtfeuer der stellen¬ 
weise gefährlichen Küste waren des strömenden Regens halber nicht 
sichtbar. Plötzlich, gegen elf Uhr in der Nacht, erschütterte ein harter 
Stoß das kleine Schiff. Dem ersten folgte schnell ein zweiter, und 
das Schiff saß jetzt fest auf einem Felsenriff, im Süden der Sangkaubai. 
„Alle Mann auf Deck!" erscholl sofort das Kommando, und die 
ganze dienstfähige Mannschaft stellte sich auf dem Hinterdeck in Reih 
und Glied auf. Während Hagel und Regen herniederprasselten, stand 
alles in strammer Manöverhaltung da. Unter die Kranken aber 
wurden dann Schwimmgürtel verteilt, und ein Arrestant ward in 
Freiheit gesetzt. 
In den Maschinenraum war binnen wenigen Minuten durch 
ein Leck so viel Wasser eingedrungen, daß Maschinisten und Heizer 
ihn verlassen mußten. Der zum Orkan angewachsene Sturm peitschte 
die Brandung über das Schiff hinweg. An den Klippen, die durch 
das Dunkel der Nacht herüberschimmerten, wurde sie zerstäubt. 
Das Schiff zu retten war keine Hoffnung mehr vorhanden. 
Kapitän Braun aber wich nicht von der Kommandobrücke, auch dann 
noch nicht, als die Holz- wie die Eisenteile des Dampfers schon 
barsten. Seine Stimme überhallte das Tosen des Sturmes. 
Ein erschütternder Wogenprall riß plötzlich das Hinter- von dem 
zwischen zwei Felsen eingeklemmten Vorderdeck und schleuderte jenes 
diesem an die Seite. 
Es war eine Mahnung an das nahe Ende. 
„Ein Hurra Seiner Majestät!" donnerte des Kapitäns mächtige 
Stimme da von der Kommandobrücke herab. Und „Hurra" erbrauste 
es aus den Kehlen der dem Tode geweihten Schar. Ein dreimaliges 
„Hurra" mischte sich mit dem Brausen des Sturmes und dem Branden 
der Wogen. Kaum aber war der patriotische Ruf verhallt, da schleuderte 
eine Woge den Führer der Heldenschar von der Kommandobrücke 
herab; Kapitän Braun verschwand in der Tiefe und ward nie mehr 
gesehen. 
Als Notsignale brannte der Oberfeuerwerker Raehm nun auf 
dem Achterdeck mehrere Raketen ab, wenn auch ohne Hoffnung auf
	        
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