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wären, als die Friedrichs. Sie ist, sagt er, die schlechteste oder die beste aller Regierungs⸗
formen, je nachdem sie geführt wird. Er verlangte von einem rechten König eine Kenntnis,
eine Fürsorge, eine Klugheit und Unabhängigkeit, wie sich selten in einer Persönlichkeit
vereinigt findet; er schildert die Folgen eines abhängigen, unentschlossenen, verworrenen
und planlosen Fürstenregiments so beredt und treu, als wäre er selber noch lebender
Zeuge des Verfalles und Unterganges seiner glorreichen Monarchie gewesen. Eine
Monarchie, in welcher durch die Untätigkeit oder Unfähigkeit des Regenten die Gänge
des Uhrwerk gestört sind, eine Monarchie, worin man sich gewöhnt hat, die Interessen
der Krone und die des Volkes als verschieden zu betrachten, erscheint ihm so verderblich,
als es nur immer die „abscheuliche Junkeraristokratie“ in Polen sein mochte. „Der Fürst,“
sagt er, „ist für die Gesellschaft, was der Kopf für den Körper ist: er muß sehen, denken,
handeln für die ganze Gemeinschaft, um ihr alle Vorteile, deren sie fähig ist, zu verschaffen.
Will man, daß die Monarchie den Sieg behalte über die Republik, so muß der Monarch
tätig und unbescholten sein und alle seine Kräfte zusammennehmen, um seinen Pflichten
zu genügen.“ Die Monarchie ist ihm eine lebendige und unermüdet tätige Vorsehung
auf Erden; aber ihre Stärke und Lebenskraft sieht er nicht in irgend einem mystischen
Zauber göttlichen Ursprungs, sondern nur in dem Grade ihres Verdienstes.
So stolz und gewichtig Friedrich den Monarchen in sich fühlte, so liegen doch in dieser
Auffassung bereits Anklänge an eine andere Zeit menschlicher Entwickelung, die neue
Gedanken und neue Forderungen in die Welt warf, und mancher seiner Aussprüche
erinnert an die Ideen, die bald nach seinem Tode anfingen, die Welt zu erschüttern.
Der mystische, gleichsam übernatürliche Zauber ist von seinem Königtum abgestreift,
es ist eine sichtbare, menschliche Institution, deren Wert von dem Grade ihres Verdienstes
abhängt. Der Monarch ist ihm nur , der erste Diener des Staates,“ er hält ihn für „ver—
pflichtet“, denselben so redlich, weise und uneigennützig zu verwalten, als wenn er „jeden
Augenblick seinen Bürgern (eitoyens) Rechenschaft ablegen müßte.“ Er hält ihn für
„strafbar“, wenn er „das Geld seines Volkes verschwendet“, wenn er, statt der Wächter
guter Sitten zu sein, „die Volkserziehung durch sein eigenes verkehrtes Exempel ver—
derbe.“ Er stellt an seinen König die Forderung, daß er sich in die Seele des armen
Landmannes oder Arbeiters hineindenke und sich frage: wenn ich einer von denen wäre,
deren Kapital nur in ihrer Hände Arbeit besteht, was würde ich von meinem Fürsten
verlangen? Er spricht den inhaltschweren Grundsatz aus: daß kein Mensch dazu geboren
und beftimmt sei, der Sklave der anderen zu sein; er findet es unverzeihlich, in die Gewissen
und Gedanken der Menschen hinein regieren zu wollen.
Hat Friedrich II. durch diese Ideen, wie durch seine geschichtlichen Taten den
gZusammenhalt der alten europäischen Verhältnisse durchbrochen und die hergebrachten
Meinungen von der Beziehung des Königtums zu den Regierenden mächtig erschüttert,
so ist seine besondere Rückwirkung auf Deutschland nicht minder bedeutungsvoll gewesen.
Es ist ein bekanntes Wort von Goethe: „Der erste und wahre, höhere, eigentliche Lebens
gehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in
die deutsche Poesie.“ Aber es war nicht die Poesie allein, welche die große Rückwirkung
einer solchen Persönlichkeit empfand. Unser ganzes Leben, unsere eigentliche Natur
hat durch Friedrich eine ungemeine Veränderung erfahren. Eine Persönlichkeit wie die
des Königs, so außerordentlch überlegen den leeren Kopien des diècle de Louis XIV.,
von denen die deusschen Fürslenhäuser und ihre Höfe noch erfüllt waren, so gesund und
einfach und, ungeachtet seiner französischen Politur, so kerndeutsch, war an sich schon
ein Ereignis. Das Fürstentum nach Versailler Muster erhielt erst jetzt in Deutschland
den ködlichen Stoß, nachdem in Friedrich der Gegensatz hervorgetreten, der Gegensatz