Object: [Abteilung 2 = (9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Abteilung 2 = (9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

15 
1 
wären, als die Friedrichs. Sie ist, sagt er, die schlechteste oder die beste aller Regierungs⸗ 
formen, je nachdem sie geführt wird. Er verlangte von einem rechten König eine Kenntnis, 
eine Fürsorge, eine Klugheit und Unabhängigkeit, wie sich selten in einer Persönlichkeit 
vereinigt findet; er schildert die Folgen eines abhängigen, unentschlossenen, verworrenen 
und planlosen Fürstenregiments so beredt und treu, als wäre er selber noch lebender 
Zeuge des Verfalles und Unterganges seiner glorreichen Monarchie gewesen. Eine 
Monarchie, in welcher durch die Untätigkeit oder Unfähigkeit des Regenten die Gänge 
des Uhrwerk gestört sind, eine Monarchie, worin man sich gewöhnt hat, die Interessen 
der Krone und die des Volkes als verschieden zu betrachten, erscheint ihm so verderblich, 
als es nur immer die „abscheuliche Junkeraristokratie“ in Polen sein mochte. „Der Fürst,“ 
sagt er, „ist für die Gesellschaft, was der Kopf für den Körper ist: er muß sehen, denken, 
handeln für die ganze Gemeinschaft, um ihr alle Vorteile, deren sie fähig ist, zu verschaffen. 
Will man, daß die Monarchie den Sieg behalte über die Republik, so muß der Monarch 
tätig und unbescholten sein und alle seine Kräfte zusammennehmen, um seinen Pflichten 
zu genügen.“ Die Monarchie ist ihm eine lebendige und unermüdet tätige Vorsehung 
auf Erden; aber ihre Stärke und Lebenskraft sieht er nicht in irgend einem mystischen 
Zauber göttlichen Ursprungs, sondern nur in dem Grade ihres Verdienstes. 
So stolz und gewichtig Friedrich den Monarchen in sich fühlte, so liegen doch in dieser 
Auffassung bereits Anklänge an eine andere Zeit menschlicher Entwickelung, die neue 
Gedanken und neue Forderungen in die Welt warf, und mancher seiner Aussprüche 
erinnert an die Ideen, die bald nach seinem Tode anfingen, die Welt zu erschüttern. 
Der mystische, gleichsam übernatürliche Zauber ist von seinem Königtum abgestreift, 
es ist eine sichtbare, menschliche Institution, deren Wert von dem Grade ihres Verdienstes 
abhängt. Der Monarch ist ihm nur , der erste Diener des Staates,“ er hält ihn für „ver— 
pflichtet“, denselben so redlich, weise und uneigennützig zu verwalten, als wenn er „jeden 
Augenblick seinen Bürgern (eitoyens) Rechenschaft ablegen müßte.“ Er hält ihn für 
„strafbar“, wenn er „das Geld seines Volkes verschwendet“, wenn er, statt der Wächter 
guter Sitten zu sein, „die Volkserziehung durch sein eigenes verkehrtes Exempel ver— 
derbe.“ Er stellt an seinen König die Forderung, daß er sich in die Seele des armen 
Landmannes oder Arbeiters hineindenke und sich frage: wenn ich einer von denen wäre, 
deren Kapital nur in ihrer Hände Arbeit besteht, was würde ich von meinem Fürsten 
verlangen? Er spricht den inhaltschweren Grundsatz aus: daß kein Mensch dazu geboren 
und beftimmt sei, der Sklave der anderen zu sein; er findet es unverzeihlich, in die Gewissen 
und Gedanken der Menschen hinein regieren zu wollen. 
Hat Friedrich II. durch diese Ideen, wie durch seine geschichtlichen Taten den 
gZusammenhalt der alten europäischen Verhältnisse durchbrochen und die hergebrachten 
Meinungen von der Beziehung des Königtums zu den Regierenden mächtig erschüttert, 
so ist seine besondere Rückwirkung auf Deutschland nicht minder bedeutungsvoll gewesen. 
Es ist ein bekanntes Wort von Goethe: „Der erste und wahre, höhere, eigentliche Lebens 
gehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in 
die deutsche Poesie.“ Aber es war nicht die Poesie allein, welche die große Rückwirkung 
einer solchen Persönlichkeit empfand. Unser ganzes Leben, unsere eigentliche Natur 
hat durch Friedrich eine ungemeine Veränderung erfahren. Eine Persönlichkeit wie die 
des Königs, so außerordentlch überlegen den leeren Kopien des diècle de Louis XIV., 
von denen die deusschen Fürslenhäuser und ihre Höfe noch erfüllt waren, so gesund und 
einfach und, ungeachtet seiner französischen Politur, so kerndeutsch, war an sich schon 
ein Ereignis. Das Fürstentum nach Versailler Muster erhielt erst jetzt in Deutschland 
den ködlichen Stoß, nachdem in Friedrich der Gegensatz hervorgetreten, der Gegensatz
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.