Full text: [Abschn. 2 = Unterstufe: Quinta, [Schülerband]] (Abschn. 2 = Unterstufe: Quinta, [Schülerband])

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3. Prosa. Erzählungen aus der alten Sage u. Geschichte. 
Thrones an ihm rächen könnten. Doch Rhea Silvia gebar zwei Knaben, 
Nomulus und Nemus, als deren Vater die Sage den Kriegsgott Mars 
nannte. Auf diese Kunde befahl Amulius, die Priesterin in den Fluß Anio zu 
stürzen, in dessen Fluten sie zur Göttin ward, die Zwillinge aber in den nahen 
Tiber zu Wersen. Allein damals war gerade der Tiber über seine Ufer getreten, 
und die königlichen Diener setzten die Knaben in einer Wanne in das aus¬ 
getretene Wasser am Fuße des Berges Palatium. Als sich das Wasser ver¬ 
lausen hatte, blieb die Wanne auf dem Trockenen stehen. Da kam, durch das 
Gewimmer der Kinder herbeigelockt, eine Wölfin, die sich ihrer erbarmte und 
sie säugte, während ein Specht, des Mars heiliger Vogel, ihnen Speise zutrug. 
Dieses seltsame Schauspiel gewahrte Faustulus, ein Hirt der königlichen Herden; 
er sah darin eine göttliche Fügung, nahm die Kleinen und brachte sie seiner 
Frau, Acca Larentia, um sie zu ernähren und auszuziehen. Er forschte ihrer 
Herkunft nach, erkannte, daß sie die Enkel des Numitor seien, schwieg aber aus 
Furcht vor der Rache des Königs. 
So wuchsen Romulus und Nemus unter den Hirten am Ufer des Tiber 
zu rüstigen Jünglingen heran und übten gemeinsam mit den Hirtensöhnen ihre 
Kraft in der Jagd aus wilde Tiere, bald auch in Angriffen auf die in der 
Nachbarschaft hausenden Räuber, denen sie ihre Beute entrissen. Darüber aus¬ 
gebracht, stellten die Räuber den Brüdern nach, und eines Tages, als die 
Hirten sich den Freuden eines Festes hingaben, gelang es ihnen, beide zu über¬ 
fallen. Romulus schlug sich durch; den Nemus führten sie gefangen zum König, 
unter der Anklage, daß er mit seinem.Bruder die Herden des Numitor beraubt 
habe. Der König übergab deshalb den Gefangenen seinem Bruder, dem 
Numitor, den er einst vom Thron gestoßen hatte, zur Bestrafung. Diese 
Gelegenheit benutzte Faustulus, um das über der Herkunft der beiden Jünglinge 
ruhende Geheimnis ihrem Großvater zu offenbaren. 
Als Numitor seine Enkel anerkannt hatte, faßten diese den Entschluß, au 
Amulius Rache. zu nehmen. Sie drangen auf verschiedenen Wegen in die 
Stadt Alba Longa, griffen die Königsburg an, erschlugen den Amulius und 
setzten ihren Großvater wieder als König ein. 
Nun beschlossen beide Brüder, auf dem Palatium, dem Orte, wo sie aus¬ 
gesetzt und erzogen worden waren, eine neue Stadt zu gründen. Zahlreiche 
Jünglinge aus Alba Longa und anderen latinischen Städten, auch ihre Gespielen 
unter den Hirten sammelten sich unter ihrer Führung. Aber schon bevor die 
Stadt erbaut war, erhob sich über ihre Benennung und Beherrschung zwischen 
beiden Brüdern ein heftiger Streit, dessen Entscheidung sie den Göttern anheim¬ 
stellten. Aus dem Fluge der Vögel suchten sie, nach landesüblichem Brauche, 
den Willen der Götter zu erkennen. Zu diesem Zwecke begab sich Romulus
	        
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