204. Das plaudernde Bächlein.
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So weile denn, erwiederte der Wandersmann, daß wir mit einander reden
können.
Das Bächlein sagte: Ich habe Eile; aber sprich nur, jede meiner nachfol¬
genden Wellen wird dir Rede stehen.
Wandersmann. Wie gern das Geringe sich doch wichtig macht! Es
wird so großer Eile nicht bedürfen.
Bächlein. Weißt du nicht, daß der Bach im Thäte meiner harrt, um
gemeinsam mit mir dem Flusse unsern Vorrath an Wasser zuzuführen, darnit er
Mühlen treiben und Kähne auf seinem Rücken tragen kann?
W. Deine Handvoll Wasser ist unbedeutend genug und käme morgen zu
rechter Zeit dort an.
B. Sprich nicht verächtlich, wenn ich pünktlich und freudig meine Schuldig¬
keit thue.
W. Deine Pünktlichkeit und Freudigkeit mögen nicht weit her sein; denn
noch vor wenigen Tagen fand ich dein Bette fast ausgetrocknet, und heute machst
du ein so trübes Gesicht, und deine Wellen spielen aus so gezwungene Art, daß
ich die Wahrheit deiner Aussage in Zweifel ziehe.
B. Der große Gott gönnt mir, ehe er die Quellen wieder füllet, bisweilen
eine kleine Ruhe. Daß ich jetzt aber mit einem trüben Angesichte einherrausche,
kommt daher: noch strömen mir durch die gestrigen Regengüsse Gewässer zu, mit
erdigen und sandigen Theilen gemischt, die ich an den bestimmten Ort bringe,
und dieses Geschäft nimmt meine ganze Thätigkeit in Anspruch.
W. Rausche, du kleiner Plauderer, doch nur fröhlich von dannen, und laß
der Anhöhe ihr verwittertes Gestein und das Erdreich, das sie bedeckt.
B. Du begreifst meine Bestimmung nicht.
W. Wenn Narren reden, müssen die Weisen schweigen.
B. Wärest du der Weisen einer, so solltest du wissen, daß die Erde jetzt
noch in einem fortwährenden Entwickeln und Werden begriffen ist, und daß ich
dabei, so gering ich dir auch erscheine, im Dienste Gottes wirksam bin.
W. Wohl weiß ich, daß sich die Oberfläche der Erde durch den Fleiß der
Menschen immer herrlicher gestaltet; von welchem Fortentwickeln und Werden
unseres Wohnplatzes, an welchem du Theil zu haben vorgiebst, sprichst du aber,
verwegener Bach?
B. Schau das noch kleinere Bächlein, das mir zur Rechten dahinfließt! —
Es mündet in den unten im Thale sich befindenden Teich. Nicht hundert Jahre
braucht es, um denselben mit Schlamm anzufüllen, daß er austrocknet und den
Menschen als fruchtbares Feld nützlich wird.
W. Schon gut; aber weiter!
B. Gleich ihm bin ich fortwährend thätig, außer dem Wasser auch Gerölle
und fruchtbares Erdreich dem Flusse zuzuführen. Durch diese Materialien legt