Full text: Für das fünfte Schuljahr (Teil 4, [Schülerband])

Bäßler. 
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Ferdinand Bäßler. 
99. Wineta. 
An der nordöstlichen Küste der Insel Usedom sieht man 
häufig bei stillem Wetter in der See die Trümmer einer alten 
großen Stadt. Es hat dort die einst weltberühmte Stadt 
Wineta gelegen, die schon vor tausend und mehr Jahren 
wegen ihrer Laster und Wollust ein schreckliches Ende ge¬ 
nommen hat. 
Die Einwohner rrieben einen überaus großen Handel; 
ihre Läden waren angefüllt mit den seltensten nnb kost¬ 
barsten Waren, und es kamen jahrein jahraus Schiffe und 
Kaufleute aus allen Gegenden und aus den entferntesten 
Enden der Welt dahin. Deshalb floß denn anch in der Stadt 
ein über die Maßen großer Reichtum zusammen, daß man 
ihn kaum noch unterzubringen wußte. Die Stadttore waren 
aus Erz und Glockengut, die Glocken aber aus Silber, uud 
das Silber war überhaupt so gemein in der Stadt, daß 
man es zu den gewöhnlichsten Dingen gebrauchte und die 
Kinder auf den Straßen mit harten Talern spielten. Dafür 
traf sie denn der gerechte Zorn Gottes, und die üppige Stadt 
wurde urplötzlich von dem Ungestüm des Meeres zu gründe 
gerichtet und von den Wellen verschlungen. Darauf kamen 
die Schweden von Gotland her mit vielen Schiffeil uild 
holteir fort, was sie von den Reichtümern der Stadt aus 
dem Meere herausfischen konnten. 
Die Stelle, wo die Stadt gestanden, kann man noch heu¬ 
tiges Tages sehen. Wenn man nämlich von Wolgast über 
die Peeile in das Land von Usedom ziehen will und gegen das 
Dorf Damerow, zwei Meilen von Wolgast, gelangt, so er¬ 
blickt man bei stiller See bis tief, wohl eine Viertelnleile in 
das Wasser hinein, eine Menge großer Steine, marmorner 
Säulen und Fundamente. Das sind die Trümmer der ver- 
sunkelien Stadt Wineta. 
In der Stadt ist noch immer ein wundersames Leben. 
Wenn das Wasser ganz still ist, so sieht man oft unten im
	        
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