166. Solon in Athen.
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Kunst und Wissenschaft unter den griechischen Staaten hervor. Es
dauerte lange, bis die Athener solche Gesetze erhielten. Fast drei
Jahrhunderte schon besahen die Spartaner gute Einrichtungen; da
gab es in Athen Unordnung und Gesetzlosigkeit, und die Vornehmen
und Reichen, welche alle Gewalt in Händen hatten, übten gegen
das niedere Volk harten, willkürlichen Druck. Darüber murrte das
Volk laut und erregte heftige Unruhen, unter denen der Staat ganz
zu zerfallen drohte. Aber zum Glück für die Athener lebte ein
Mann unter ihnen, der es verstand, dieser Zerrüttung abzuhelfen.
Das war der weise Solon.
Er hatte sich durch Reisen in andere Länder reiche Erfahrung
gesammelt und besah wegen seiner Einsicht und Vaterlandsliebe das
höchste Ansehen und das Vertrauen aller seiner Mitbürger. Daher
beauftragten ihn dieselben, den Staat durch eine neue Gesetzgebung
zu ordnen. Und Solon löste diese Aufgabe aufs beste. Er be¬
stimmte, dah alle Bürger Anteil haben sollten an der Staatsver¬
fassung, aber nicht alle in gleichem Mähe, sondern wer dem Vater¬
lande das meiste zu leisten vermochte, der erhielt auch gröbere
Rechte und konnte zu den höheren Stellen im Staate gelangen.
Alle wichtigen Dinge aber muhten dem ganzen Volke vorgelegt
werden, sie wurden in der Volksversammlung verhandelt und ent¬
schieden. Hier konnte jeder Bürger mitreden, mitraten und mit-
beschliehen und so zum Wohle des Staates beitragen.
Und damit die Bürger dazu geschickt würden, war Solon vor¬
züglich auf eine sorgfältige Erziehung der Jugend bedacht. Dieselbe
war weit mannigfaltiger als bei den Spartanern. Zwar wurden auch
die jungen Athener frühzeitig zu Leibesübungen angehalten; aber
mehr noch kam es auf die Ausbildung der geistigen Kräfte au.
Daher wurde dasjenige, was die Spartaner als unnütz verschmähten,
die Kunst und Wissenschaft, in Athen hoch geehrt, und tüchtige Kennt¬
nisse, feine Sitten galten als Schätze, denen man mit Eifer nachjagte.
Dies edle Streben trug die schönsten Früchte. Mit herrlichen
Naturanlagen ausgestattet, erlangten die Athener eine bewunderns¬
werte Höhe der Bildung. Die berühmtesten Denker und Künstler
sind aus ihnen hervorgegangen, ihre Dichter haben Werke ge¬
schaffen, an deren Schönheit wir uns noch heute erfreuen; ihre
Redner haben durch die Macht ihrer Worte die gewaltigsten Wir¬
kungen hervorgebracht; ihre Weltweisen haben über die schwierigsten
Dinge tiefsinnige Forschungen angestellt. Und wie glänzte Athen