der Hütte waren nun vier Geschöpfe, denen der Hunger aus den Augen
sah. Das einzige, was sie noch unter sich teilen konnten, war eine Kufe
mit eingestampften Rüben und weißem Kohl, und auch diese stritten
schon mit der Verwesung, weil sie nur wenig gesalzen waren. Die
Geißen erhielten ihren Anteil roh, wie er aus der Kufe kam; die Por¬
tionen für sich und ihren Knaben kochte die Witwe und salzte sie oft
mit ihren bitteren Kummertränen. Denn es war damals unter ihrem
Dache, wie in der Hütte von Zarpath, als sie dem Propheten ant¬
wortete: „So wahr der Herr, dein Gott, lebet, ich habe nichts Ge¬
backenes, ohne eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im
Kruge. Und siehe, ich habe Holz aufgelesen und gehe hinein und will
mir und meinem Sohne zurichten, daß wir essen und sterben."
2.
Der Knabe liebte seine Mutter und bewies seine Liebe am meisten
dadurch, daß er nie über seinen Hunger klagte, sondern geduldig von
einer Mahlzeit auf die andere wartete und überhaupt alles vermied
und verbarg, was ihr das Herz noch schwerer machen konnte. Aber
fast die ganze andere Hälfte seines Herzens war den Ziegen zugewandt,
und es wollte ihm brechen, wenn er sah, wie sie, von Hunger getrieben,
an der Kufe hinaufsprangen und vergebens Hals und Zunge streckten,
um die Neigen darin zu erreichen. Hätten sie von seinen schönen Worten
und Vertröstungen aus den nahen Frühling satt werden können, dann
hätten sie mehr als genug gehabt. Aber so wurden sie immer magerer,
und der Knabe entschloß sich endlich, für sie zu tun, was er noch nicht
einmal für seine Mutter getan hatte.
Zn Solenhofen war ein Benediktinerkloster. An dessen Pforte
klopfte der Knabe mit dem schweren eisernen Klöpfel, der daran
hing, und antwortete dem Bruder Pförtner, der nach seinem Begehren
fragte, er müsse mit dem Abt selbst reden. Er wurde vor diesen ehr¬
würdigen Diener Gottes geführt, küßte ihm die Hand und bat, er möchte
ihm doch nur erlauben, das Heu aufzulesen, das die Klosterkühe unter
den Barren und unter die Streu würfen; denn seine zwei Ziegen wären
am Verhungern. Den Abt überraschte anfangs die Bitte, deren Ge¬
währung gar leicht mißbraucht oder wenigstens zu einer großen Ver¬
suchung werden konnte. Aber bald überzeugte er sich, mit was für
einer aufrichtigen und redlichen Seele er es zu tun habe. Er fragte
unter andern Dingen nach dem wenigen, was nach den damaligen