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Er sprach den ganzen Tag über kein Wort mit ihr, schnürte dann nachts
heimlich sein Bündel und verließ sie. Nachdem er viele hundert Meilen
weit gewandert war, ließ er sich endlich in einem fremden Lande nieder,
wo niemand ihn kannte und keiner nach ihm fragte. Dort lebte er still
und einsam zehn Jahre lang; da überfiel ihn eine namenlose Sehnsucht
nach der Heimat und nach der verlassenen Braut. Er mußte immer wieder
daran denken, wie sie so fromm und schon gewesen sei, und wie er sie so böslich
verlassen. Nachdem er vergeblich alles gethan, um seine Sehnsucht nieder¬
zukämpfen, entschloß er sich, zurückzukehren und sie um Verzeihung zu bitten.
Er wanderte Tag und Nacht, daß ihm die Fußsohlen wund wurden,
und je mehr er sich der Heimat näherte, desto stärker wurde seine Sehn¬
sucht, und desto größer seine Angst, ob sie wohl wieder so gut und
freundlich sein werde, wie in der Zeit, wo sie noch seine Braut war
Endlich sah er die Türme seiner Vaterstadt von fern in der Sonne blitzen.
Da fing er an zu laufen, was er laufen konnte, so daß die Lente hinter
ihm her den Kopf schüttelten und sagten: „Entweder ist's ein Narr, öder¬
er hat gestohlen." Wie er aber in das Thor der Stadt eintrat, begegnete
ihm ein langer Leichenzug. Hinter dem Sarge her gingen eine Menge
Leute, welche weinten. „Wen begrabt ihr hier, ihr guten Lente, daß ihr
so weint?" „Es ist die schöne Frau des Orgelbanmeisters, die ihr böser
Mann verlassen hat. Sie hat uns allen so viel Gutes und Liebes gethan,
daß wir sie in der Kirche beisetzen wollen." Als er dies hörte, entgegnete
er kein Wort, sondern ging still gebeugten Hauptes neben dem Sarge her
und half ihn tragen. Niemand erkannte ihn; weil sie ii)it aber fort¬
während weinen mtb schluchzen hörten, störte ihn keiner; denn sie dachten:
das wird wohl auch einer von den vielen armen Leuten fein, denen die
Tote bei Lebzeiten Gutes erwiesen hat. So kam der Zug zur Kirche
und wie die Träger die Kirchschwelle überschritten, fing die Orgel von
selbst zu spielen an, so herrlich, wie noch niemand eine Orgel spielen
gehört. Sie setzten beit Sarg vor dem Altare nieder, und der Orgelban¬
meister lehnte sich still an eine Säule daneben und lauschte den Tönen,
die immer gewaltiger anschwollen, so gewaltig, daß die Kirche in ihren
Grundpfeilern bebte. Die Augen fielen ihm zu; denn er war sehr müde
von der weiten Reise; aber sein Herz war freudig, den» er wußte, daß
ihm Gott verziehen habe; mtb als der letzte Ton der Orgel verklang,
fiel er tot auf das steinerne Pflaster nieder. Da hoben die Leute die
Leiche auf, und wie sie inne wurden, wer die Leiche sei, öffneten sie den Sarg
und legten ihn zu seiner Braut, lind wie sie den Sarg wieder schlossen,
begann die Orgel noch einmal ganz leise zu tönen. Dann wurde sie still
und hat seitdem nie wieder von selbst geklungen.