Aus Äomers Odyffee.
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die seine Gattin mit Anträgen umwarben und ihm Äab und Gut ver¬
praßten. Zuerst aber, so riet sie ihn:, sollte er zum Eumäus, dem gött¬
lichen Sauhirten, gehen, der von allen seinen Dienern am treuesten ihm
anhing. Damit aber niemand den Odysseus erkennen möge, verwandelte
ihn Athene in einen armen, alten Bettler, ließ seine blühende Gestalt
zusammenschrumpfen zum häßlichen Greise und blendete den Glanz
seiner Augen. Statt der köstlichen Gewänder hüllte sie ihn in ärmliche
Lumpen und gab ihm sogar noch einen Bettelsack. In diesem Auszuge
erschien Odysseus bei seinem treuen Diener Eumäus.
Dieser saß gerade und schnitt sich ein Paar Sohlen aus einer Stier¬
haut; beim Anblick des Fremden ließ er aber die Arbeit fahren und
führte den Gast in seine Wohnung, wo er ihn mit Ferkelsseisch be¬
wirtete, denn die fetten Mastschweine mußte er ja für die Freier in
die Stadt schicken. Die Rede kam bald auf Odysseus, und der ver¬
meintliche Bettler schwur beim Zeus, daß der Äeld bald kommen und
Rache an den Frevlern nehmen würde. Doch Eumäus schenkte dem
keinen Glauben und meinte, sein unglücklicher Äerr sei gewiß schon längst
eine Beute der Fische. „Glaube das nicht, mein Lieber," sprach Odysseus,
„ich schwöre dir bei deinem gastfreundlichen Tische und bei dem Lerde
des Odysseus, ehe noch dieser Monat abgelaufen ist, wird er erscheinen
und die Frechen züchtigen."
Am andern Tage kehrte auch Telemach, der Sohn des Odysseus,
von seiner Reise zurück, die er unternommen hatte, um Kunde zu
gewinnen über seinen Vater. Bevor er zur Mutter ging, kehrte er
erst bei dem treuen Sauhirten ein und ward von ihm wie ein Sohn
von seinem Vater empfangen. Ehrerbietig stand der verkleidete Odysseus
vor seinem eigenen Sohne aus; doch Telemach sagte freundlich:
„Bleib sitzen, Alter, es wird sich für mich auch noch ein Plätzchen
finden." Eumäus aber eilte, der Penelope die glückliche Rückkehr ihres
Sohnes zu melden.
Nun sprach die Göttin Athene in das Äerz des Odysseus: „Gib
dich dem Sohnes zu erkennen!" And von ihrem Stabe berührt, stand
jetzt der Vater, in einen kostbaren Mantel und Leibrock gekleidet, in
der Fülle seiner schönen und kräftigen Heldengestalt vor dein Sohne,
der ihn staunend für einen Gott hielt. „Nein, ich bin kein Gott," erwiderte
Odysseus, „ich bin dein Vater, wegen dessen du von trotzigen Männern
viele Kränkungen erduldest." Noch immer war Telemach ungläubig,
und erst als ihn Odysseus beschied, die Verwandlung sei ein Werk der
Schntzgöttin Athene, schlang der Sohn in Freudentränen die Arme um
den lange vermißten Vater. Dieser erzählte nun in aller Äast die