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IX. Bilder aus Länder- und Völkerkunde.
erhält eine mehr steile Gestalt; denn die flachen Dächer sind in den
Alpen eben durch die Rücksicht auf die losen Schindeln bedingt. Im
untern Vorarlberg und zum Teil im Algäu findet man häufig auch
Ziegeldächer. Die besonders in den höheren Gegenden meist zerstreut
liegenden Wohnungen werden säst immer nur auf der Sonnenseite
der Täler angebracht und kehren auch womöglich ihre Vorderseite nach
Süden.
Auch die Tracht der Älpler zeigt manche gleichartige Erscheinungen.
Beiden Geschlechtern gemeinsam ist der Äut, mag er auch nach Form
und Farbe in verschiedenen Gegenden sehr verschieden sein. Die Männer
bekleidet ein graubrauner Rock aus grobem Wollengewebe (Loden), die
Äose ist von Gems- oder Ziegenleder oder auch von Loden, reicht kurz
über die Äüften und läßt die Knie frei. Der Hosenträger und der
Gürtel von Leder, mit Namenszügen und Figuren gestickt, bilden einen
wichtigen Teil der Bekleidung. Die Zipfel des lose umgeschlungenen
Halstuches werden durch einen Ring gezogen. Bis zum Knie reichende
Strümpfe und Schuhe mit dicken, benagelten Sohlen vollenden den An¬
zug. In der weiblichen Kleidung tritt mehr Verschiedenheit hervor; in
manchen Gegenden ist sie sehr unschön.
Die Beschäftigungen der Alpenbewohner sind von mancherlei Art.
Obenan steht jedoch die Alpenwirtschaft. Die zahlreichen Matten sind
von der Natur selbst zur Viehweide bestimmt und können auch von den
Menschen nur als solche verwertet werden. Der zwar kurze, aber dichte
und besonders würzige Gras- und Kräuterwuchs der Alpen gibt ihnen
einen bedeutenden Vorzug vor allen Wiesen und Weiden des niederen
Landes. Aber die Kürze des Grases, die Abgelegenheit und die viel¬
fach von Felsenriffen durchsetzte oder mit Steingeröll überstreute Ober¬
fläche macht das Abmähen und Trocknen zu Heu meist untunlich. Da¬
her hat denn der Bergbewohner seit undenklichen Zeiten den Brauch
gehabt, zur Sommerszeit das Vieh unter der Obhut eines Sennen die
entfernteren Matten (Alpen) abweiden zu lassen. Zu diesem Zweck ist
auf jeder Alp eine Hütte errichtet, worin der Senne oder die Sennerin
wohnt, das Vieh melkt, Butter und Käse bereitet, auch das Vieh selbst
zur Not Unterkunft findet. In der Regel hat die Hütte zwei Ab¬
teilungen: die kleinere ist Stube, Kammer und Küche zugleich, die größere
Stall.
Der Auszug (die Ausfahrt) der Herde auf die Alp beim Beginn
des Sommers ist ein besonderes Fest für Menschen und Tiere. Die
Kühe kennen die Bedeutung des Aufzugs sehr gut und sind voll Lust,
sobald sie nur den Ton der Glocke hören, die der am meisten bevor¬