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Spitz und Pudel.
„Du bist böse," antwortete der Spitz, „und mit den Bösen
soll man keine Gemeinschaft halten.“
„Ich böse?“ erwiderte der Pudel; „ei, warum nicht gar!
Ich will mir ja nur eine Lust machen.“
„Das ist eine schlechte Lust, wenn du die Leute aus dem
Schlafe aufschrecken willst,“ antwortete Spitz. „Man muß sich
keine Lust machen, die andern schadet, und wobei man seine
Schuldigkeit vergißt. Du willst Haus und Hof verlassen, die
du bewachen sollst, und wofür der Herr dich ernährt, bloß
um dir eine Lust zu machen. Nimm dich in acht, daß sie dir
nicht das Fell ausklopfen.“
Pudel brummte ein wenig in sich hinein, aber er legte
sich doch in seine Hütte und lief nicht umher.
3. „Wir könnten uns jeder eine Wurst holen,“ sagte am
folgenden Tage Pudel zu Spitz.
„Liegt denn die Straße voller Würste?“ fragte Spitz.
„Behüte!“ antwortete Pudel; „aber in Schlächters Hause
auf dem Tische im Hausflure liegen sie. Wir passen die Zeit
ab, wo der Schlächter nicht gleich da ist; dann klink’ ich die
Haustür auf, — denn das habe ich gelernt; — jeder nimmt
sich eine Wurst, und dann, heidi! fort damit.“
„Eine Wurst hätt’ ich auch wohl gern,“ sagte Spitz; „aber
mit Spitzbubenkünsten mag ich sie doch nicht erwerben.“
Auf einmal heißt es: „Pudel ist totgeschlagen!“ Das machte,
er hatte dem Schlächter von Zeit zu Zeit eine Wurst weg¬
geholt. Da hat der Schlächter eines Tages im Verstecke auf¬
gepaßt. Pudel ist gekommen, hat die Tür aufgeklinkt und eine
Wurst genommen. Darauf ist der Schlächter herzugesprungen
und hat den Pudel mit dem großen Fleischbeile erschlagen.
Pudel war erschlagen und also tot; aber Spitzchen lebte noch
lange und war seinem Herrn sehr wert.
Das macht: „Ehrlich währt am längsten, aber das Böse
nimmt nimmer ein gutes Ende.“