245
Gerücht sich verbreitete, bestätigt haben. Gegen acht Uhr kam
„Vater Wränget", die Depesche in der Hand haltend, zu Fnß nach
dem Palais, und kurz darauf erschien der alte Herr auf der Rampe,
wie immer freundlich nach allen Seiten grüßend. „Kinder, sagte
er, geduldet euch doch nur! Ihre Majestät ist noch nicht angekleidet;
ich kann noch nicht vorkommen!" Nachdem er sodann ein Hoch auf
den König und die deutsche Armee ausgebracht hatte, in welches die
Menge natürlich freudig einstimmte, rief er begeistert: „Und jetzt
noch ein drittes Hoch auf das deutsche Volk! — Es lebe hoch! —
hoch! - hoch!" —
Die Königin trat jetzt in schwarzem Kleide mit weißem Über¬
wurf und weißem Hut auf den Balkon und begrüßte die zujauch¬
zende Menge. Inzwischen hatte die Jugend das Standbild Friedrichs
des Großen gestürmt; einige kecke Knaben hatten mit großer Be¬
hendigkeit das hohe Piedestal erklettert und halfen den nachfolgenden
in die Höhe. Bald sitzt gar einer von ihnen vor dem alten Fritz
auf dem Halse des bronzenen PferdeL und bekränzt den Sieger von
Roßbach mit einem Lorbeerkranz. Bald schmücken Kränze von Blumen
die ganze Reiterfigur, preußische und deutsche Fahnen werden oben
und überall angebracht; auf dem Piedestal hocken und stehen wohl
40, 50 lustig ihre Mützen schwenkende Jungen: — das Bild im
Glanze der hell und freundlich leuchtenden Septemberson'ne war ent¬
zückend. Der brave Bursche, tvelcher den alten Fritz bekränzt hatte,
wurde ins Palais besohlen und erhielt von der Königin für seine
Heldenthat 3 Friedrichsd'or und eine Tasse mit dem Bildnisse des
Königs und der Königin. Hoch erfreut dankte er und nahm beides
in Empfang. „Aber verzeihen Ew. Majestät, sagte er dabei, indem
er auf seine Hände deutete, die beim Erklettern des Monuments
schmutzig geworden waren, der alte Fritz hat sich lange nicht ge¬
waschen." — „Schadet nichts, mein Junge, erwiderte die Königin,
so brave Hände können auch schmutzig sein."
0
186. Des Kaisers Herzensgute.
Ein Soldat aus Mecklenburg stand vor Paris ans Vorposten.
Hier erhielt er einen Brief aus seiner Heimat, und da er lange