Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

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7. Ha,“ rief der Pilgrim welch 
ein Bild! 
Wie feuerreich und doch wie mild! 
Was dunkel und verworren war, 
Wie ist es nun so licht und klar! 
Was vorhin ohne Zweck mir schien, 
Setzt' wohlbedacht der Meister hin; 
Kein Strichlein durfte anders sein, 
Sollt' ich mich dieser Schönheit freun!“ 
Ch. v. Schmid. 
8. Auch seine düstre Seel' wird licht, 
Im Herzen tief die Stimme spricht: 
„Dem Bilde gleicht dein Lebenslauf. 
Geht einst die Wahrheitsonne auf, 
Dann wird, was dir jetzt dunkel scheint, 
Zu einem Lichtgemäld' vereint. 
Drum glaube jetzt und bete an; 
Was Gott thut, das ist wohlgethan!“ 
Gesammelte Schriften. 18612. B. XVII. S. 11 ff. 
108. Der Möneh von Heisterbach. 
1. Ein junger Mönch im Kloster Heisterbach 
Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort; 
Der Ewigkeit sinnt still und tief er nach 
Und forscht dabei in Gottes heil'gem Wort. 
2. Er liest, was Petrus, der Apostel, sprach: 
Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr', 
Und tausend Jahre sind ihm vwie ein Tag. 
Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar. 
3. Und er verliert sich zweifelnd in den Wald; 
Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht. 
Erst wie die fromme Vesperglocke schallt, 
Gemahnt es ihn der ernsten RKlosterpflicht. 
4. Im Lauf erreichet er den Garten schnell — 
Ein Unbekannter öffnet ibhm das Thor. 
Er stutzt. Doch sieh, schon glänzt die Kirche hell. 
Und draus ertönt der Brüder heil'ger Chor. 
5. Nach seinem Stuble eilend, tritt er ein; 
Doch wunderbar — ein andrer sitzet dort. 
Er überblickt der Mönche lange Reihn — 
Nur Unbekannte findet er am Ort. 
6. Der Staunende wird angestaunt ringsum; 
Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begebr. 
Er sagt's. Da murmelt man durehs Heiligtum: 
„Dreihundert Jahbre hiesls so niemand mehr!“ 
7. „Der letzte dieses Namens,“ tönt es dann, 
„Er war ein Zweifler und verschwand im Wald; 
Man gab den Namen keinem mehr fortan.“ 
Er hört das Wort, es überläuft ihn Kalt. 
8. Er nennet nun den Abt und nennt das Jabr; 
Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand — 
Da vwird ein grossses Gotteswunder klar: 
Erist's. der drei Jahrhunderte verschwand! 
9. Ha, welehe Lösung! Plötzlich graut sein Haar, 
Er sinkt dahin und ist dem Tod geweiht,
	        
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