in der lauen Luft. Die Sonne sank aber, und die Luft ward kühler.
Nun legen die unsichtbaren Wasserteilchen ihr Abendkleid an; sie werden
zu Nebel. Viele von ihnen setzen sich nieder ans Gräser und Blumen;
sie werden Meder zu Tropfen, und die Menschen nennen sie Abendtau.
Käfer und Mücken, Blumen und Sträucher meinen aber, das sei ihr
Abendbrot.
Die meisten der Nebelbläschen jedoch halten einen Umzug über
den sumpfigen Wiesengrund und über das Bett der Flüsse und Bäche.
Dann lagern sie sich wie ein weißgrauer Streifen über das niedre Land.
Wer mitten in der dichten Nebelschicht geht, dem werden Gesicht und
Kleider feucht und kalt. Millionen winziger Nebelbläschen schweben um
ihn herum. Klein und gering ist jedes von ihnen: es vermag nicht dem
leisesten Luftzug zu widerstehn. Der Flügelschlag einer Mücke jagt es
von seiner Stelle. Wenn sich aber viele vereinen, dann vermögen sie
Großes zu bewirken.
Entflieht die Nacht, so rollt der frische Morgenwind die Nebeldecke
der Wiesen und Sümpfe zusammen. Sie wird vielfach zerrissen und
als Streifen und massenhafte Ballen hoch in die Luft geführt. Die
Strahlen der aufgehenden Sonne spiegeln sich in den unzähligen Wasser¬
bläschen, die jetzt mancherlei Wolken am blauen Himmel bilden. Wie
die Teppiche am Thron eines mächtigen Königs prangen purpnrrot
die Wolken. Hundert andre kleine Wölkchen quellen unter ihnen hervor,
und ebenso viele umgeben die Sonne mit dem blendendsten Glanze wie
flüssiges Gold.
Höher und höher steigt das Tagesgestirn, und zu immer dichteren
Haufen wickeln sich die Wolken zusammen. Die Farbenpracht verliert
sich. Düstrer und immer düstrer werden sie. Endlich erscheinen sie
schwarzgrau und unheimlich. Nur an den Rändern sind sie weißlich
und gleichen riesenhaften Gebirgen, deren Scheitel der Schnee krönt.
Ein Gewitter zieht herauf. Der Landmann lenkt seine Pferde vor dem
Pfluge nach Hause; die Spaziergänger suchen eilig ein schützendes Ob¬
dach. Welk und matt hängen die Blumen; die Blätter sind gesenkt und
durstig. Ängstlich suchen die Singvögel ein sicheres Versteck, und die
Schwalben fliegen kreischend unter der schwarzen, drohenden Wolke hin.
Da zuckt aus dem Wolkenknäuel ein Blitz! Ein krachender Donner
rollt über die Landschaft. Erschreckt schauen die Menschen ans den
Fenstern, ob irgendwo ein Turm oder ein Haus durch das Feuer der
Wolke entzündet worden sei oder ein Baum zersplittert stürze. —
Zugleich vereinigen sich viele der Nebelbläschen zu Tropfen, und frucht-
Plümer-Haupt-Bachmann, Lesebuch Ausg. B. 3. 4
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